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Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie

Titel: Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
Autoren: Shana Abé
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sein möge. Bei diesem entrückten und übernatürlich wirkenden Wesen handelte es sich immerhin um seine Schwester, und er liebte sie. Aber selbst Sandu musste zugeben, dass er ihre Tiefen nicht ausloten konnte.
    Der Versammlungssaal hatte auf jeder Seite vom Himmel ausgefüllte Fenster, so dass viel Licht hereinflutete. Der Raum war hoch und riesig, nahm fast vier offene Stockwerke eines ganzen Turms ein und verfügte über Marmorsäulen, Kacheln und eine Decke, auf der sorgfältig ausgeführte Fresken Sterne und den Mond und silbrige, lodernde Ungeheuer zeigten. Trotz all seiner Stärke und seiner soliden Pracht handelte es sich um einen der wenigen Räume in Zaharen Yce, der ganz offensichtlich für etwas anderes als Menschen gebaut worden war. Als Maricara ihren ersten Schritt in das morgendliche Sonnenlicht machte, glänzte sie ebenfalls, heller und blendender als selbst die Drachen hoch droben. Ihre Haut, ihr Haar und ihre Farben spielten plötzlich keine Rolle mehr; sie bestand nur noch aus Flächen und Winkeln und der darunter brodelnden Macht.
    Alexandru verspürte einen kurzen Anflug von Trübsinn. Niemand fürchtete ihn. Sie hörten ihm zu, weil sie mussten. Er konnte die Wandlung vollziehen, aber das vermochten auch gut zwei Dutzend der hier versammelten Männer. Man nannte ihn streng genommen nur wegen ihr Prinz , denn aufgrund ihrer Natur konnte eine weibliche Drákon nicht herrschen, ganz gleichgültig, wie machtvoll sie auch sein mochte.
    Sie bewegte sich durch die Reihen der Wartenden, ohne nach links oder nach rechts zu blicken. Ihre blassen, kühlen Augen zeigten denselben leicht abwesenden Blick, den sie
in letzter Zeit immer zu haben schien; Sandu fragte sich, ob er genauso dreinschaute. Sie schien nicht müde zu sein, obwohl er wusste, dass dies der Fall war. Sie sah nicht wie jemand aus, der die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, obwohl er sich ziemlich sicher war, dass er auch in dieser Hinsicht recht hatte.
    Inzwischen stand er, und als sie nahe genug an ihn herangekommen war, verbeugte er sich. Es war eine gute Verbeugung, eine französische, um genau zu sein, und er wusste, dass sie sich darüber freuen würde.
    Er erhob sich, als sie sich gerade aus ihrem Knicks aufrichtete. Dann hielt er ihren Stuhl für sie - links von seinem eigenen und ein wenig zurückgesetzt -, und sie akzeptierte ihn und ließ sich unter sanftem Kräuseln ihres Rockes nieder.
    All das entsprach einer Tradition, einer Formalität so alt wie die Berge, wie die Burg selbst, die man ihm während der letzten acht Jahre eingepaukt hatte. Dies war der einzige Tag, an dem sie sich mischten, die Drákon und diejenigen, welche ihnen dienten. Als Kind hatte er einmal seinen Vater hierher in diese große, mit Marmor ausgestattete Höhle begleitet. Er erinnerte sich noch daran, wo sie, eingewickelt in ihre einfachen Kleider, gesessen hatten: ganz hinten, und der Prinz, der damals auf diesem Stuhl gesessen hatte, war ihm so hart und freudlos wie ein winterlicher Eispanzer erschienen.
    Damals war es auch kalt gewesen.
    Der Schatzmeister - ein Mensch - trat vor.
    »Ihre königlichen Hoheiten.«
    Sandu wandte sich der ersten Seite seines Dokumentes zu. Die Bittsteller saßen in strenger Ordnung da, vom jüngsten bis zum ältesten. Eine weitere Regel, eine andere Tradition.
    Er spähte auf das Pergament und unterdrückte einen weiteren Seufzer. Das war der mit dem Schwein …

    Aber der Schatzmeister neben seiner Schulter rührte sich und schob ein neues Blatt vor ihn, etwas, das noch nie zuvor geschehen war. Sandu akzeptierte es überrascht und senkte den Blick auf die Schrift.
    LIVEZILE:
Zwölf Schafe.
Zwei Ziegen, eine für Wolle, eine für Milch.
SALVA:
Vierundzwanzig Hühner, zwanzig davon legend.
Vier Ferkel, eine Sau.
Schäferhütte.
DEDA:
Zwei Schafe.
Kirchturm.
    Sandu verzog keine Miene. Er hob den Blick, nicht in Richtung seiner Schwester, sondern er schaute auf die inzwischen verstummte Menge von Leuten vor ihnen. Mit einem unangenehmen Gefühl des Aufwachens bemerkte er, wie viele der Anderen zusammengedrängt in diesem Raum zugegen waren. Jetzt verstand er ihre Aufregung, ihr Geflüster. Er roch ihre Erregung in getrocknetem Schweiß und Wolle.
    Die Ereignisse der Nacht vor acht Jahren hatten sich wie ein Brandzeichen in sein Gedächtnis gesengt. Der Geruch von Teer und verbrannter Kiefer. Das zornige Summen entfernter Stimmen. Er war wach gewesen, weil seine Eltern wach gewesen waren, denn das Licht von den Fackeln
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