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Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie

Titel: Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
Autoren: Shana Abé
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gut war. Denn in dem Mörtel zwischen den uralten Blöcken befanden sich uralte Diamanten, hunderte von ihnen, und Maricara musste ihr Singen hören.
    Kühl und einfach, bunt und klar übersäten sie die Wand in gefrorenen Vorsprüngen, jeder einzelne von ihnen ungeschliffen, jeder einzelne ein brillantes Gedicht. Wenn sie die Finger über sie gleiten ließ, dann summten sie ihren Arm herauf in ihr Herz, ihre Ohren und ihre Kehle, um ihr Blut mit Liedern zu füllen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen diese Musik ihr einziger Trost in der Welt gewesen war.
    Sie konzentrierte sich jetzt auf sie, auf ihr leises, ständiges Singen, während sie sich auf die Lippen biss und die Wunde auf ihrem Bauch mit Seife und kaltem Wasser säuberte.
    »Kein Korsett«, sagte sie, ohne aufzublicken, und eine der Zofen schwebte zurück in die Tiefe des Raums.
    Das Blut ließ sich abwaschen. Der Schnitt würde heilen. Irgendwann, das wusste sie, heilte alles.

    Die Prinzessin übergab Schüssel und Handtuch ihren Zofen, um sich an den Schminktisch zu setzen. Der Spiegel zeigte das Bett hinter ihr silbrig eingefärbt, die Decken ordentlich und ohne jeden Hinweis, dass sie jemals darin geschlafen hatte.
    Als ob sie nicht existierte.
    Mit im Schoß gefalteten Händen gestattete es Maricara ihren Dienerinnen, mit ihrer Verwandlung zu beginnen.
     
    Keiner sprach, als sie den Raum betrat. Auch vorher hatten sie kaum gesprochen, nur gelegentlich ein Murmeln oder Flüstern hinter vorgehaltener Hand ausgetauscht, aber es kam Alexandru so vor, als sei das Maß der Aufregung, das durch die Leibeigenen vor ihm brodelte, ein wenig stärker als an einem solchen Tag üblich.
    Vielleicht auch nicht. Der Raum war kreisrund. Stimmen hallten darin wider. Mehr mochte nicht daran sein.
    Er hatte sich die Zeit vertrieben, indem er seine Brille aufsetzte und so tat, als prüfe er die vor ihm liegenden Dokumente und Bittgesuche, die sein Schatzmeister niedergeschrieben hatte und welche in der Reihenfolge geordnet waren, in der jeder Mann vor ihm erscheinen würde. Aber für ihn waren das nur Kratzer und kleine Häppchen, winzige, zu Fehden aufgeblasene Beschwerden: dieses Feld, jenes Feld; sein Schwein, meine Eicheln …
    Sandu zählte fünfzehn Jahre. Das Frühstück war vor Stunden serviert worden. Er hatte Hunger, ihn fror, und sie kam zu spät. Er scherte sich wahrlich keinen Deut um irgendjemandes verdammte Eicheln.
    Die Buchstaben schienen auf dem Pergament zu verschwimmen. Er schob sich die Brille den Nasenrücken hoch, aber das half nichts. Die schwarze Tinte wurde blau, die
Farben verschoben sich, die Wörter schienen sich zu verändern … Sie sagten jetzt etwas Neues, etwas, das er beinahe erkennen konnte …
    Pass auf , tönte die Stimme seiner Schwester in seinem Kopf. Du bist Alpha. Jede Sorge der Männer hier ist die deine.
    Er blinzelte, und alles rutschte wieder an die rechte Stelle. Sandu seufzte und rieb sich die Nase. Er wünschte sich wohl zum tausendsten Mal, dass der Versammlungsraum einen Kamin hätte. Es war zwar Mitte April, aber Schnee hielt die Karpaten immer noch im Griff, und seine höfischen Strümpfe waren nicht der Wärme wegen gewebt worden.
    Die Doppeltüren gegenüber seinem Tisch schwangen weit auf. Maricara betrat den Raum, und in diesem Augenblick gefror die Luft tatsächlich.
    Sie war schön. Niemand hätte das bestritten. Alle von ihrer Art besaßen eine gewisse Schönheit, aber in Maricara war diese zu etwas angewachsen, das alle anderen übertraf.
    Sie trug Rouge und Kajal und eine Perücke mit langen, schweren, schieferfarbenen Locken, und das Violett ihres Gewandes verlieh ihren Augen einen purpurnen Schimmer. Aber Sandu glaubte, dass all das nur dazu diente, von ihrer wahren Natur abzulenken. Nicht das Weiß ihrer Haut sonderte sie von den anderen ab, nicht die Art, wie sie die Schultern hob, auch nicht die Form ihres Kiefers. Es kam auch nicht von der Kleidung, die sie trug, oder ihrer Figur. Es lag nicht an etwas so Klarem, Physischem. Sie bezog ihre Schönheit daher, dass sie einfach war : Von allen Frauen in den Bergen besaß sie als einzige die Gabe der Wandlung.
    Aus diesem Grund hatte man sie als Prinzessin ausgewählt. Und aus diesem Grund starrte sie jeder hier, ob nun Drákon oder Mensch, mit einem Keim von Furcht im Herzen an. Das hatte Sandu schon vor langer Zeit bemerkt.
Es war möglich, dass sie allen Grund hatten, sie zu fürchten. Er war sich dessen nicht sicher und hoffte, dass es nicht der Fall
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