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Der träumende Delphin

Der träumende Delphin

Titel: Der träumende Delphin
Autoren: Sergio Bambaren
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ein Traum«, sagte der Sonnenfisch. »Aber ich glaube, ich kann dir helfen. Bei meinen Reisen durchs Meer ist mir aufgefallen, daß die Wogen immer aus Richtung Westen kommen, weil sie von starken Winden getrieben werden, die vom äußersten Rand des Ozeans herüberwehen. Dort wirst du die Welle finden, die du suchst. Warte einfach, bis die Sonne untergeht, und folge ihr dann auf ihrem Weg ins Meer.«
    Daniel bedankte sich bei dem Sonnenfisch. Er war froh, an diesem Tag so viel erfahren zu haben.
    »Wir haben alle Träume«, dachte er. »Nur daß manche unermüdlich darum kämpfen, ihre Bestimmung zu erfüllen, wie hoch das Risiko auch sein mag, während andere ihre Träume einfach ignorieren, aus bloßer Angst zu verlieren, was sie besitzen. Ihnen wird niemals bewußt, welchen Sinn ihr Leben eigentlich hat.«
     

    Dem Rat des Sonnenfischs folgend, schwamm Daniel weiter gen Westen, immer auf die Stelle zu, wo Sonne und Meer sich bei Eintritt der Dunkelheit trafen, weil er tief in seinem Innern wußte, daß der Sonnenfisch eines jener Zeichen war, auf die zu hören ihm das Meer geraten hatte.
    Es war nicht schwer für Daniel Delphin, dem Sonnenuntergang hinterherzuschwimmen. Die Evolution hatte ihn in Tausenden von Jahren mit der Fähigkeit ausgestattet, auch nachts zu sehen. Er konnte extrem hohe Töne entsenden, die von etwaigen Gegenständen vor ihm abprallten. So konnte er die Signale des Echos, das zu ihm hallte, entschlüsseln und sich aus den Klangwellen ein Bild machen. Daniel war dadurch in der Lage, auch im Dunkel der Nacht und in den Tiefen des Ozeans Gegenstände wahrzunehmen.
    Er schwamm weiter nach Westen, als er plötzlich vor sich eine Gestalt ausmachte. Vorsichtig näherte er sich dem Wesen.
    »Wer bist du?« fragte er.
    »Ich bin ein Hai, und eigentlich solltest du nicht mit mir sprechen. Wir essen Delphine. Du solltest Angst vor mir haben.«
    »Was ich nicht kenne, fürchte ich nicht«, erwiderte Daniel.
    Der Hai zögerte. Kein Delphin hatte ihm jemals so etwas entgegnet.
    »Du solltest vorsichtig sein hier auf hoher See«, sagte der Hai. »Wo ist denn dein Schwarm?«
    »Der fischt bestimmt in der sicheren Lagune unserer Insel.«
    »Und was tust du hier ganz alleine, ohne deinen Schwarm?«
    »Ich verfolge meinen Traum. Ich suche nach der perfekten Welle.«
    »Und wo willst du die finden?« fragte der Hai.
    »Da bin ich mir nicht sicher. Ich weiß nur, daß ich in die richtige Richtung schwimme.« Er sah den Hai an. »Bist du auch ein Träumer?«
    »Das war ich einmal«, sagte der Hai mit trauriger Stimme. »Das Leben war ungerecht zu mir. Es hat dafür gesorgt, daß alle Angst vor mir haben. Jedesmal, wenn ich irgendwo auftauche, schwimmen alle anderen Geschöpfe davon, als koste es ihr Leben.«
    »Das erinnert mich an meinen Schwarm«, sagte Daniel. »Jedesmal, wenn ein Unwetter auf die Insel niedergeht, suchen alle Schutz in der Lagune. Das liegt an ihrer Angst vor dem Unbekannten. Sie merken nicht, daß man im Leben aus den schwierigsten Situationen die besten Lehren zieht.«
    »Du hast keine Angst vor mir«, sagte der Hai.
    »Ich habe keine Angst vor dir, denn wenn du mich umbringen wolltest, hättest du es schon längst tun können. Aber vor allem fürchte ich mich deshalb nicht vor dir, weil ich meinen Traum verfolge, weil ich weiß, daß ich meine Bestimmung erfüllen muß.«
    »Ich wünschte, ich könnte träumen wie du«, sagte der Hai.
    »Na, dann fang doch wieder damit an. Denk einfach wieder an deine Jugend. Erinnere dich daran, welche Gedanken dir früher nachts den Schlaf geraubt haben.«
    »Und was ist, wenn mir nicht mehr einfällt, wie man träumt?« fragte der Hai.
    »Wenn du etwas von ganzem Herzen willst«, sagte Daniel, »dann können dich nur deine eigenen Ängste aufhalten.«
    »Willst du damit sagen, daß ich wieder anfangen kann zu träumen?«
    »Wie jedes andere Geschöpf in dieser Welt«, antwortete Daniel.
    »Danke«, sagte der Hai. »Ich werde wieder träumen.«
    Er wollte schon davonschwimmen, da drehte er sich noch einmal um und fragte:
    »Sagtest du nicht, daß du die perfekte Welle suchst?«
    »Ja«, sagte Daniel.
    »Nun, dann könntest du schon ziemlich dicht dran sein. Ich komme gerade aus dem Westen und habe gesehen, daß dort ein ganz schöner Seegang aufkommt. Vielleicht ist die Welle, die du suchst, ja dabei.«
    »Höre auf die Zeichen«, hatte das Meer gesagt.
    »Wie komme ich da hin?« fragte Daniel.
    »Halt dich weiter Richtung Westen und vertraue einfach
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