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Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Titel: Der Totenwächter - Roman (German Edition)
Autoren: Vanessa Farmer
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wahrhaftig! Du würdest ein noch größeres Opfer schenken, als ich es vermag. Dein eigenes Leben!« Er schnippte mit den Fingern. Um Linda herum lösten sich Steinbrocken. Die Spannung, die sich um ihre Leibesmitte gelegt hatte, ließ nach. Sie rutschte aus dem Loch, als habe man die Steine mit Schmierseife behandelt. Sie war frei. Sie fiel kopfüber auf den Boden der Grabkammer. Schnell erhob sie sich und richtete sich weit auf. Sie spannte ihre Schultern und stand vor Mamothma. Alle Angst war von ihr gewichen. Sie starrte dem Geist direkt in die Augen.
     
     

23
     
     
    »Du würdest es tun? Für deine Tochter sterben?«, fragte Mamothma lauernd, als könne er nicht glauben, was Linda gerufen hatte. Er winkte ab. »Selbstverständlich würdest du es tun.« Er kicherte dumpf. Grelle Hitze ging von ihm aus. Linda trat einen Schritt zurück. Der Geist glühte und loderte. »Aber es wird nicht notwendig sein. Die Weissagung sagt, dass es Sephrete sein muss. Und sie sagt, dass eine Mutter kommen wird, deren Mut alles andere überschatten wird. Und diese Mutter bist du. Du würdest für deine Tochter sterben und alleine das zählt. Du wirst eine würdige Herrscherin sein. An meiner Seite! An der Seite von Mamothma!«
    »Jede Mutter würde für ihr Kind sterben«, flüsterte Linda.
    Der Geist schwebte heran und Linda wich zurück. Er war ein wandelnder Glutofen. Hinzu kam, dass er eine gefährliche Faszination ausstrahlte. Er legte den Kopf schief. »Meinst du?«
    »Ja.«
    »Und wie kommt es, dass meine Mutter es zuließ, dass auf Geheiß des Pharaos meine Brüder vom Feld geholt, versklavt und später, als sie zu alt waren, um nützlich zu sein, in siedendes Öl gesteckt wurden? Warum stellte sie sich den Häschern des Pharaos nicht entgegen? Warum versteckte sie uns kleine Kinder nicht? Warum konnte ich nur überleben, weil ich klug war, und mir eine Höhle suchte, von der niemand etwas ahnte? Ich kehrte unter falschem Namen zurück und diente mich hoch. Ein ehemaliger Fellache ... dazu verdammt, den Oberen zu dienen. Ich arbeitete bei den Pyramiden und bald wurde ich unentbehrlich. Meine Kenntnisse waren gefragt und bald wurde ich abgerufen, um andere Bauwerke zu beaufsichtigen. Mein Aufstieg war nur ein Kinderspiel. Ich betete zu den Göttern und sie beschenkten mich.«
    Mamothmas Geist sank etwas in sich zusammen. »Warum schützte meine Mutter uns nicht? Warum mussten meine Schwestern dem Pharao und seinen Lakaien als Konkubinen dienen? Warum musste eine meiner Schwestern für einen dieser Herrscher in den Tod gehen? Man legte sie bei lebendigem Leibe neben seine Leiche und mauert sie ein. Warum hielt meine Mutter die Hand auf und ließ sich für ihre Demut und ihr Schweigen mit Goldstücken entlohnen? Warum gebar sie uns? Um uns zu verkaufen, wie man Hühner und Ziegen verkauft?«
    Sogar die zischelnden Stimmen schwiegen. Es war, als sei an deren Stelle ein trauriges Summen getreten. Die Jüngerstimmen weinten.
    Mamothma schwebte auf der Stelle, den Kopf gesenkt. Das grelle Licht, welches die Wände ausstrahlte, verdunkelte sich. Bald war es nur noch jenes feine Glitzern, das Linda schon am Morgen aufgefallen war. Die Flammen an Mamothmas Körper verloschen. Es wurde dämmerig in der Grabkammer. »Und darum werde ich das Grauen über die Menschheit bringen.« Er drehte sich wie in Zeitlupe zu Grace und hob den Dolch. Linda starrte wie versteinert zum Sarkophag. Grace weinte und ihr Kopf zuckte hilflos auf und ab. Sie stand unter Mamothmas Bann. Stärker, als es jede Fessel vermochte.
    »Warum willst du deine Macht teilen?«, dröhnte eine Männerstimme durch die Grabkammer. Hinter Linda polterten Steinbrocken. Sie fuhr herum. Jemand rutschte auf dem Hinterteil den Geröllhaufen hinunter. Es war Brad.
    Mamothma hielt inne. Er schien nicht überrascht zu sein. Er atmete dumpf unter seiner Maske. »Ich hätte dich auf dem Schiff töten sollen, Mensch.«
    »Brad!«, riefen Grace und Linda wie aus einem Munde. Freude und Angst erfassten Linda. Woher kam Brad? Wie war es ihm gelungen? Seltsamerweise fühlte sie sich ungemein erleichtert. Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen. Er stand vor ihr. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Seine dunklen Haare verklebt und seine Kleidung schmutzig. Über der Schulter baumelte seine Kamera. Der Erschöpfung zum Trotz grinste er schelmisch. Er blinzelte Linda zu.
    Mamothma hob seine Hände. Er streckte sie Brad entgegen. An den Fingerspitzen bildeten sich Funken. Es
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