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Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Titel: Der Totenwächter - Roman (German Edition)
Autoren: Vanessa Farmer
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markerschütternd. Ein Beben rauschte durch den Fels. Polternd stürzten die Wände und die Decke der Kammer ein. Sie begruben unter sich, was niemals hätte existieren dürfen. Staubwolken legten sich barmherzig über das Geschehen. Die Schallwelle setzte sich fort und brach sich an den Wänden der Halle. Die schweren Säulen bebten.
    Linda hustete. Ihre Augen brannten. Es klickerte. Letzte Reste Stein bröckelten herab.
    Dann war es still und dunkel.
    Feiner Nebel quoll aus dem Staub hervor. Er glitzerte feenhaft und spendete etwas Licht. Er wehte unter die Decke der Halle, waberte und schwebte herab. Aus ihm heraus materialisierte sich Ba, der einst Akobeth geheißen hatte. Sein reichlich verziertes Gewand funkelte, wie mit tausend Perlen besetzt. Es war die einzige Lichtquelle in der Halle und strahlte doch so hell, dass Linda Schutz suchend eine Hand vor ihre Augen hielt. Ein Mensch mit einem Vogelkopf. Ein Engel? Der Schnabel öffnete sich. »Es ist vorüber - für eine Weile zumindest. Geht und vergesst, was ihr gesehen und gehört habt. Kehrt zurück auf das Schiff. Es wird so sein, wie es begann.« Dann öffnete der Vogelgeist tatsächlich seine Schwingen, machte gleichmäßige Bewegungen und erhob sich mit einem schwappenden Rauschen in die Höhe. Ein Mensch, der fliegen konnte. Er strahlte hell. Es war ein bezaubernder Anblick. Ein Anblick, den keiner von ihnen jemals vergessen würde.
    Ba hatte ihnen geholfen. Er hatte Buße getan. Ba kreiste ein paar Meter, legte feinen Nebel über Grace und verschwand im Nichts wie ein Licht, das man löscht.
    Sie hielten sich aneinander fest.
    Linda, Brad und Akbar.
    Grace war verschwunden.
    Ba hatte sie mitgenommen.
     

Epilog
     
     
    Über dem Nil sangen Libellen ihr rasch geflügeltes Lied und Krokodile glitten ins Wasser, auf der Suche nach Barschen. Rinder wurden von Kindern in den Fluss getrieben und gewaschen, während Frauen harte Seife in Leinen rieben, wobei sie sangen und dem Pharao für diesen schönen Tag dankten.
    Sephrete saß mit dem Rücken an eine Palme gelehnt und blickte auf das Idyll, während drüben im Zelt verhandelt wurde, was mit ihr zu geschehen sei.
    Tausend Bilder huschten durch Sephretes Kopf, darunter welche, die wie unheimliche Tagträume waren. Sie sah stählerne Vögel am Himmel und Häuser, die bis in die Wolken ragten. Sie hörte Musik, die sie noch nie vernommen hatte, und schmeckte Tränen, die nicht ihre waren. Es war die Trauer einer Frau, die ihr einst nahe gestanden hatte. In irgendeinem Traum, in irgendeiner Welt, in einer anderen Zeit. Wenn sie sich bemühte, festigte sich das Bild so sehr, dass sie diese Frau im Arm eines Mannes sah, den sie einmal Brad genannt hatte und sie begriff, dass es sich um eine Mutter handelte, die nicht ihre Mutter war. Beide weinten und sehnten sich nach etwas.
    Sie sehnten sich nach ihr, nach Sephrete, die einst Grace geheißen hatte, ein Name, ebenso fremd wie die Vorstellung, in einer Welt zu leben, die derart exotisch und bedrohlich wirkte. Dennoch verspürten sie auch einen gewissen Trost - miteinander. Zwei Liebende und ein neuer Beginn.
    Bilder, die sich auflösten wie Seifenschaum im Wasser.
    Das Zelt hinter ihr öffnete sich und sie wand sich aus den Tagträumen zurück in die Gegenwart. Alles war verwirrend und doch weit entfernt, wie eine dunkle Wolke, die am Horizont auftauchte, um in der Hitze des Tages zu vergehen, wie auch die Bilder vergingen, um nie wieder zurückzukehren.
    »Steh auf«, befahl ihr Vater. Akobeth der Dritte wirkte zornig und sie ahnte, worauf es hinauslaufen würde. Sie würde bestraft werden.
    Sie erhob sich, strich das dünne Gewand glatt und drehte sich zu ihm, hoch aufgerichtet, das Kinn nach vorne gereckt, mit stolzem Blick.
    »Man sagte, ich solle dich auspeitschen lassen.«
    »Dann tue es, Vater.«
    »Man sagte, ich solle dich in die Viertel schicken, zu den Huren.«
    »Ich werde nicht widersprechen.«
    »Nichts von dem tue ich, Sephrete. Du bist meine Tochter und ich habe dich zu uns zurückgeholt. Das tat ich nicht, um dich zu bestrafen. Ich widersetzte mich den Ältesten und man folgte mir.«
    »Was wurde aus Mamothma?«
    »Er wurde in die Dunkelheit gebracht. Dorthin, wo er machtlos ist.«
    »Dann will ich auch dorthin.«
    »Er wollte dich opfern, hast du das vergessen?«
    »Er war verwirrt.«
    Akobeth lachte hart. »Verwirrt? Er ist ein dunkler Magier, der vor nichts zurückschreckt, das ihn an die Macht bringt. Auch du warst nur ein Mittel zum
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