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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen
Autoren: Susan Hill
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sie waren alle froh darüber gewesen. Sam war mit bleichem, ernstem Gesicht nach vorn gegangen und hatte sich neben den Sarg seines Vaters gestellt, um ein kurzes Gebet zu sprechen. Hannah hatte ausnahmsweise einmal kein Theater gemacht, keine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, sondern Sam nur unentwegt angeschaut. Es sei seine Idee gewesen, hatte Cat gesagt. Das Ganze war zu schnell vorüber gewesen. Unheimlich und unwirklich. Jeden Moment, hatte Simon gedacht, würde Chris schließlich da sein, zwischen ihnen stehen, und nichts wäre geschehen, es wäre die Beerdigung eines anderen, ein dummer Irrtum.
    Cat war mit Chris’ Mutter und Bruder ins Krematorium gefahren. Richard und Judith hatten die Kinder mit nach Hallam House genommen. Eine Totenwache fand nicht statt.
    Simon hatte an der Seitentür gestanden und ihnen allen nachgeschaut, war dann durch den Regen wieder an die Arbeit gegangen.
    Er saß auf dem harten Stuhl im Vorraum von Chief Constable Devenish, und die Beerdigung ging ihm wieder durch den Kopf, das weiße Gesicht seines Neffen, wie alt sein Vater plötzlich ausgesehen hatte, Cats verweinte Augen, der Geruch der Kerzen, die vom Kirchendiener ausgeblasen wurden, die Schritte der Sargträger auf dem Steinboden. Chris. Simon hatte ein gutes, ein unbeschwertes Verhältnis zu seinem Schwager gehabt, der so lange ein Teil seines Lebens gewesen war; sie waren gute Freunde gewesen, eine Familie, wie Brüder, aber ohne die Anspannung zwischen Geschwistern. Und Chris war der beste Ehemann für Cat gewesen, der beste Vater, der beste Arzt. Der Beste.
    »Simon?«
    Er sah auf, im ersten Moment verwirrt, bevor er sich zusammenriss, bereit für eine vernichtende Strafpredigt.
     
    Er bekam sie nicht. In dieser Richtung fiel kein Wort. Nicht explizit.
    »Ich weiß, ich lag richtig damit, Ihnen zu vertrauen«, sagte Paula Devenish mit hinterhältigem Lächeln.
    »Danke.« Simon grinste zurück. »Ich hatte so eine Ahnung wegen der Hochzeitsmesse. Aber sobald ich die bewaffnete Sondereinheit von der Kathedrale abgezogen und zum Hotel beordert hatte, geriet ich in Panik. Nicht wegen der Royals. Ihretwegen. Vor Ihrer Reaktion.«
    »Wir haben Dank und Lob vom Lord Lieutenant erhalten, und Dank vom Büro des Prinzen. Die Sache in der Kathedrale hätte nicht glatter ablaufen können, obwohl ich froh bin, dass wir so etwas nicht öfter haben, es belastet den ganzen Apparat über alle Maßen. Wie geht es dem Team?«
    »Sie sind erschüttert. Kriegen es nicht in den Kopf. Doch Rowley hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen, da gab es nichts. Kein bisschen.«
    »Und wie erklären Sie sich das: Ihr Diensthabender hatte Besuch von einem Mann namens Matty Lowe, der sagte, er sei überfallen worden. Dann sah er Rowley auf dem Jahrmarkt und erkannte ihn wieder. Rowley war sein Angreifer. Mr.Lowe ging zum Revier in Lafferton und wollte mit Ihnen reden, landete aber am Ende bei DS Whiteside.«
    »Davon wusste ich nichts.«
    »Nein«, sagte Paula Devenish trocken. »Whiteside behauptet, Sie hätten sich geweigert, ihm zuzuhören.«

[home]
    Achtundsiebzig
    A uf Simons Anrufbeantworter waren keine Nachrichten, als er wieder in die Wohnung kam. Er öffnete die Fenster – der Herbstabend war mild, wolkig und ruhig. In der Kathedrale brannte Licht. Gottesdienst.
    Er rief Cat an.
    »Mir geht es gut, Dad und Judith waren den ganzen Tag hier, und Judith bleibt zwei Nächte. Nicht wegen mir, es geht um die Kinder – sie benötigen besondere Zuwendung. Sam ist schweigsam geworden, kann sein, dass er dich braucht, aber noch nicht. Fahr weg, Si, du hast eine Pause nötig.«
    »Wenn du dir sicher bist …«
    »Ja. Ich werde dich brauchen, aber vorläufig komme ich klar. Ich bin wie betäubt. Ehrlich. Fahr.«
    Er wollte schon auflegen, sagte dann: »Hör zu. Clive Rowley.«
    »Was ist mit dem?«
    »Es gibt ein Wort, das alle in Bezug auf ihn verwendet haben – ich auch –, es scheint das entscheidende Wort zu sein.«
    »Und das wäre?«
    »Einzelgänger.«
    »Trifft das zu?«
    »O ja. Aber – ist es das Wort, mit dem du mich charakterisieren würdest?«
    Ein langes Schweigen trat ein.
    Es war ihm in den Sinn gekommen, als er die Treppe zu seiner Wohnung hinaufgegangen war. Einzelgänger. Er hatte sich nach seinen eigenen vier Wänden gesehnt, seinen schönen Zimmern, seiner Zuflucht, seinem Frieden und seiner Einsamkeit.
    Einzelgänger.
    »Na ja, es gibt Einzelgänger und Einzelgänger. Offensichtlich.«
    »Du weißt, was ich
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