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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Frank Schmitter
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mich in den Feierabend verabschiede. Der Biergarten ruft«, sagte Dr. Hornung und machte zwei Schritte in Richtung Tür. »Aber halt, fast hätte ich es vergessen. Der Tote hatte zwei Schlüssel in seiner Hosentasche.«
    Er nahm ein kleines, durchsichtiges Plastiktütchen, das auf dem Tisch neben ihm lag, und übergab es Gerald. Es handelte sich um einen einfachen Ring, an dem zwei Schlüssel befestigt waren, ein größerer, aufwändig gearbeiteter, und ein kleinerer. Sie sahen aus wie zwei einfache Wohnungsschlüssel, ohne Anhänger, Namensschildchen oder andere Hinweise.
    Sie verabschiedeten sich von dem Gerichtsmediziner und gingen zum Parkplatz. Als sie im Auto saßen und Batzko den Autoschlüssel in das Zündschloss stecken wollte, griff ihm Gerald in den Arm.
    »He! Spinnst du?«
    »Ich will wissen, was mit dir los ist.«
    Batzko schaltete das Radio ein. »Geht dich das etwas an?«, brummte er.
    »Mich geht es dann etwas an, wenn wir einen Fall zu lösen haben und du nicht bei der Sache bist«, sagte Gerald und schaltete das Radio wieder aus. »Seit dem Anruf vom Kriminaldauerdienst bist du mit deinen Gedanken irgendwo anders. Keine Ahnung, wo. Aber ich weiß, dass wir unter diesen Umständen nicht weit kommen werden.«
    Batzko hob in gespielter Gleichgültigkeit die Schultern und richtete den Blick geradeaus auf die Parkplatzmauer. Ihr Wagen stand so, dass das Sonnenlicht direkt in das Innere schien. Batzko schwieg lange, so lange, bis erste Schweißperlen am unteren Rand des Dreitagebartes sichtbar wurden.
    »Ich habe einen Bruder«, sagte er schließlich mit einer ungewohnt leisen Stimme, den Blick weiter nach vorne gerichtet. »Vielleicht müsste ich sagen: Ich hatte einen Bruder. Ich weiß es eben nicht. Acht Jahre älter als ich. Mein Vater war Hilfsarbeiter auf dem Bau. Als ich kam – ungewollt, sozusagen ein betriebsbedingter Unfall, als mein Vater wie üblich betrunken aus der Kneipe nach Hause torkelte –, war meine Mutter mit den Nerven schon komplett am Ende. Nie Geld in der Tasche, ihr jähzorniger, primitiver Mann alkoholabhängig und dann noch ein zweites Kind, das durchgebracht werden musste. Dann ist sie, ich war dreieinhalb, bei einem Verkehrsunfall gestorben. Manche sagen auch, sie hat es einem Lastwagen sehr schwer gemacht, ihr auszuweichen. Wie auch immer – unbewusst gab mein Vater uns Kindern die Schuld. Er hat uns regelmäßig geschlagen; wenn er nach Hause kam, hatte er immer schon einige Maß intus, und weil er keine Frau mehr hatte, die er ins Schlafzimmer sperren konnte, hat er sich an uns gehalten, mit dem Rohrstock.«
    Batzko zog ein Taschentuch aus der Hosentasche, wischte sich den Schweiß vom Hals und fuhr sich mit der Hand in einer schnellen, wie zufälligen Bewegung über die Augen.
    »Mein älterer Bruder ist mit dreizehn zum ersten Mal abgehauen. Wurde aber wieder aufgegriffen, zurück nach Hause gebracht und musste noch mehr Prügel einstecken, bis zur nächsten Flucht. Er hat von Kleindiebstählen gelebt, hat Frauen auf der Straße die Geldbörse geklaut und was weiß ich nicht alles … Jugendgefängnis, Besserungsanstalt, das volle Programm. Er hat sich nur noch rumgetrieben, im Sommer in München und Umgebung, im Winter irgendwo im Süden. Zum letzten Mal habe ich vor fünf, sechs Jahren etwas von ihm gehört. Da hat er sich mit einer offenen Bierflasche mit einem Kumpel duelliert. Es ging um eine Immobilienangelegenheit, also wer seinen Schlafsack wohin legen durfte. Da ging es meinem Bruder schon gesundheitlich mies, obwohl er natürlich den Kampf gewonnen hat. Die Familiengene eben.«
    Er lächelte säuerlich, verschränkte die Finger ineinander und ließ die Knöchel knacken.
    »Und du hast dich in den Kampfsport und anschließend in den Polizeidienst geflüchtet?«
    Batzko hob die Augenbrauen und legte den Kopf schief. »Übertreib es nicht, Partner. Du bist der Einzige, dem ich jemals davon erzählt habe. Das heißt aber nicht, dass du eine Lizenz zum Küchenpsychologen bekommst.«
    Gerald seufzte. »Es fällt dir offensichtlich schwer zu akzeptieren, dass mir deine Probleme nicht egal sind.«
    »Ich habe keine Probleme«, sagte Batzko, und seine Stimme hatte wieder zu ihrer schneidenden Klarheit zurückgefunden. » Du hast Probleme mit einer extrem nervenden zukünftigen Ex. Das ist jedenfalls meine Meinung.«
    Batzko lenkte den Wagen energisch aus der Parklücke und fuhr mit aufheulendem Motor davon. Aber das Radio ließ er ausgeschaltet.
    Tatsächlich fanden
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