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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman
Autoren: H kan Nesser
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Pflegeheim.
    Moreno selbst nahm ein Taxi, da sie den Weg zur Wache von Lejnice nicht kannte.
    Die Entfernung zum Marktplatz, wo auch die Wache lag, betrug
knappe zweihundert Meter, und der junge Fahrer fragte, ob er eine Extrarunde um die Kirche drehen dürfe, um wenigstens das Taxameter einschalten zu können.
    Moreno lachte und sagte, sie werde in einigen Stunden einen Wagen nach Port Hagen brauchen, worauf er ihr eine Karte mit seiner Telefonnummer gab.
    Die Polizeiwache von Lejnice war ein viereckiger zweistöckiger Bau aus dunklem Klinkerstein mit seltsamen quadratischen Fenstern, die von außen nicht einzusehen waren. Sie war sicher kurz nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet worden und lag zwischen einer Metzgerei und einem Bestattungsunternehmen. Über dem wenig imposanten Eingang befand sich ein winziger Balkon mit Eisengeländer und einer noch kleineren Flagge, die am Ende einer Art Besenstiel im schwachen Wind wehte. Moreno hatte eine kurze Assoziation mit einer dekadenten französischen Kolonie des 19. Jahrhunderts — oder mit einem Film über eine solche Kolonie —, und als sie dann Kommissar Vrommel entdeckte, vermutete sie, dass ihm das vergangene Jahrhundert lieber war als das, das gerade vor der Tür stand.
    Er selber stand übrigens auch vor der Tür. Lang und schlaksig, in einer Art weicher Khakiuniform, wie Moreno sie nur aus der Welt des Films kannte. Sie schätzte ihn auf vielleicht sechzig oder eher noch fünfundsechzig. Reinharts Vermutung, dass er rothaarig war, mochte nicht falsch liegen, kam aber um einige Jahrzehnte zu spät. Jetzt war Vrommels Haupt nur noch spärlich bewachsen. Um nicht zu sagen gar nicht.
    Runde Brille ohne Einfassung, kräftige rotbraune Nase und ein so dünner, fleischfarbener Schnurrbart, dass sie ihn erst entdeckte, als sie dem Mann die Hand reichte.
    »Inspektor Moreno, nehme ich an. Angenehm. Reise gut verlaufen?«
    Er kann Polizistinnen nicht leiden, dachte sie.
    »Hervorragend, danke. Ein bisschen warm.«
    Er ging auf die Aufforderung, über das Wetter zu sprechen, nicht ein. Räusperte sich stattdessen und hob den Kopf.

    »Willkommen in Lejnice. Ja, hier also ist der Sitz der Macht.« Erstreckte den Arm in einer Geste aus, die möglicherweise—aber nur möglicherweise — als ironisch gedeutet werden konnte. »Gehen wir hinein? Meister Lampe wartet schon.«
    Er öffnete die Tür, und Moreno betrat das relativ kühle Innere der Polizeiwache von Lejnice.
     
    Das Verhörzimmer war an die zehn Quadratmeter groß und sah aus, wie es sich für ein Verhörzimmer gehörte.
    Wie es sich für alle Verhörzimmer auf der ganzen Welt gehört. EinTisch mit zwei Stühlen. Eine Lampe an der Decke. Kein Fenster. Auf dem Tisch ein Tonbandgerät, ein Krug Wasser und zwei weiße Plastikbecher. Kahle Wände und blanker Betonboden. Zwei Türen mit Gucklöchern. Franz Lampe-Leermann saß schon auf dem einen Stuhl, als Moreno zur Tür hereinkam. Er saß sicher schon eine ganze Weile da. Er sah ziemlich erschöpft aus, und sein Lächeln kam ihr angespannt vor. Große Schweißflecken hatten sich unter den Armen seines gelben Hemdes ausgebreitet, und er hatte Schuhe und Socken ausgezogen. Er atmete schwer. Die Klimaanlage, die im restlichen Gebäude ihre Wirkung tat, schien nicht in diese Dschehenna hineinzureichen.
    Möglicherweise hatte Vrommel sie auch ausgeschaltet.
    Fünfunddreißig Grad, schätzte Moreno. Mindestens. Gut.
    »Ich brauche eine Zigarettenpause«, erklärte Franz Lampe-Leermann und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Dieser Dreckskerl hier will mich nicht mal rauchen lassen!«
    »Pause?«, fragte Moreno. »Frühestens in einer halben Stunde. Falls du dich kooperativ zeigst. Klar?«
    Lampe-Leermann fluchte noch einmal und zuckte mit den Schultern.
    »Also, los geht’s«, sagte Moreno und drückte auf den Aufnahmeknopf. »Was hast du zu sagen?«

6
    Mikaela Lijphart stieg bei der Weggabelung nach St. Inns aus, wie ihr geraten worden war. Sie blieb mit ihrem Rucksack am Straßenrand stehen, bis der Bus in der langen Kurve in Richtung Wallby und Port Hagen verschwunden war.
    Schaute sich um. Links von ihr, nach Westen, verlief die schnurgerade Straße durch die Dünen zum Meer, nur noch anderthalb Kilometer waren das. Dort würde sie später hingehen — in kurzer Zeit oder einigen Stunden —, denn dort lag die Jugendherberge, wo sie übernachten wollte. Aber jetzt noch nicht. Jetzt ging es nach Osten. Ins Landesinnere, über das schmale gewundene
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