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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman
Autoren: H kan Nesser
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Essen angeschnitten.
    »Wenn du einen guten Wein mitbringst, dann versuche ich, für dich einen essbaren Fisch aufzutreiben. Auf dem Markt gibt’s einen Alten, der jeden Morgen frischen Fisch anbietet. Er hat sogar ein Holzbein, die Touristen knipsen jeden Sommer zweitausend Bilder von ihm... na ja, ich werd’s jedenfalls versuchen.«
    »Abgemacht«, sagte Moreno. »Ich verlasse mich darauf, dass du Glück hast. Ich hab dir ja gerade drei Stunden Frist gegeben. Übrigens...«
    »Ja?«
    »Nein, schon vergessen.«
    »Gelogen.«
    »Na gut. Welche Farbe haben deine Badeschlappen?«
    »Meine Badeschlappen?«
    »Ja.«
    »Warum willst du wissen, welche Farbe meine Badeschlappen haben? Im Haus liegen sicher zehn Paar herum... oder jedenfalls zwanzig Stück, aber die Besitzverhältnisse sind ziemlich unklar.«
    »Gut«, sagte Moreno. »Das betrachte ich als gutes Omen.«
    Mikael Bau behauptete, gar nichts mehr zu begreifen, und riet ihr, sich einen Sonnenhut zuzulegen. Sie versprach, sich die Sache zu überlegen, danach beendeten sie ihr Gespräch. Er sagte nie zweimal, dass er sie liebte, und sie war dankbar dafür.
    Wenn auch ein wenig gespalten.
     
    Später an diesem Abend rief Reinhart an und diskutierte eine halbe Stunde lang mit ihr, wie sie das Verhör mit Lampe-Leermann führen sollte. An und für sich kam ihr das nicht weiter kompliziert vor, aber andererseits war es natürlich wichtig, so bald wie möglich so viel wie möglich aus ihm herauszuholen. Viele und wichtige Namen.

    Wichtig war es außerdem, an die Beweise zu denken, damit man gegen die verdienstvollen Herren wirklich Anklage erheben konnte. Die Frage, was Lampe-Leermann dafür in Aussicht gestellt werden durfte, musste ebenfalls erörtert werden, aber Reinhart und Moreno machten so etwas ja nicht zum ersten Mal, und am Ende war der Hauptkommissar mit der Planung zufrieden.
    Wenn dieser Arsch nur gegenüber Inspektor Ewa Moreno ein Geständnis ablegen wollte, dann würde er es wohl auch tun, meinte er.
    Und dafür sorgen, dass er etwas zu gestehen hatte.
    »Zwei Faustregeln«, betonte Reinhart schließlich. »Zum einen ein Tonbandgerät. Zum anderen keine ausformulierten Versprechungen. Nicht in der einleitenden Phase, das müsste auch Lampe-Leermann klar sein.«
    »Weiß ich«, sagte Moreno. »Bin auch nicht von gestern. Was ist eigentlich Vrommel für einer?«
    »Keine Ahnung«, sagte Reinhart. »Hört sich am Telefon wie ein Feldwebel an. Hat, glaube ich, rote Haare. Kann sich aber auch um einen anderen Vrommel handeln.«
    »Wie alt?«
    »Zu alt für dich. Könnte dein Großvater sein oder so.«
    »Danke, Herr Kommissar.«
    Reinhart wünschte Waidmannsheil und erklärte, er freue sich darauf, in zwei oder höchstens drei Tagen ihren Bericht zu lesen.
    »Bericht?«, fragte Moreno. »Du bekommst die Abschrift des Verhörs, wobei ich nebenbei gesagt nicht vorhabe, mich um dieses Detail zu kümmern. Ich bin nicht im Dienst.«
    »Hmpf«, knurrte Reinhart. »Kein Idealismus mehr bei der Truppe. Was soll aus der Gesellschaft nur werden?«
    »Darüber reden wir im August«, sagte Moreno.
    »Wenn es die Gesellschaft dann noch gibt«, sagte Reinhart.

5
    10. Juli 1999
     
    Sie begriff erst nach einer ganzen Weile, dass das Mädchen ihr gegenüber wirklich weinte.
    Es war kein auffälliges Weinen. Es war ganz still, irgendwie natürlich. Das Gesicht sah nackt und rein aus, die Haut war bleich und die rotbraunen Haare glatt nach hinten gekämmt und mit einem Gummiband zusammengehalten. Sechzehn oder siebzehn, tippte Moreno, aber bei jungen Mädchen wusste man nie so genau. Es konnten auch zwei Jahre mehr oder weniger sein.
    Die Augen waren groß und hellbraun, und so weit sie das beurteilen konnte, ganz und gar ungeschminkt. Auch die Wangen, über die die Tränen in regelmäßigem, aber nicht sonderlich reißendem Strom flossen, wiesen keine schwarzen Striche auf. Das Mädchen weinte leise und selbstverständlich. Moreno schaute vorsichtig über den Rand ihres Buches und stellte fest, dass ihr Gegenüber ein zusammengeknülltes Taschentuch in der Hand hielt, die locker auf ihrem Knie lag — dass jedoch kein Versuch unternommen wurde, die Tränenflut zum Stillstand zu bringen. Keinerlei Versuch. Das Mädchen weinte nur. Ließ den Tränen ihren Lauf, so sah es aus, während sie aus dem Fenster auf die flache, sonnige Landschaft schaute, die draußen vorüberhuschte. Das Mädchen saß gegen die Fahrtrichtung, Inspektorin Moreno ihr gegenüber.
    Trauer, dachte Ewa
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