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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman
Autoren: H kan Nesser
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automatisch passiert, ich habe Tim Van Rippe dort am Strand umgebracht, und es hat nicht einmal eine Sekunde gedauert.«
    Ihre Stimme zitterte wieder, brach aber nicht. Moreno spürte, wie eine Gänsehaut ihre Unterarme überzog.
    »Der Rest war nur noch wilde Panik. Ich wusste sofort, dass er tot war. Es war nicht sehr dunkel. Zwanzig, dreißig Meter von uns entfernt liefen Leute herum, aber niemandem ist etwas aufgefallen. Wenn jemand in unsere Richtung geschaut hat, dann hat er uns sicher für ein Paar gehalten, das gemütlich am Strand sitzt. Dann habe ich ihn dort begraben, und das hat fast eine Stunde gedauert, aber es wurde dann schnell dunkel, und bald war der Strand menschenleer. Er verlor die Schuhe, als ich ihn in die Grube gestopft habe, ich habe sie weggeworfen. Ich habe auch seine Brieftasche und seine Uhr eingesteckt, ich weiß nicht, warum ... später habe ich sie weggeworfen. Und als ich fertig war, bin ich gegangen.«
    »Als du fertig warst, bist du gegangen«, wiederholte Moreno.
»Herrgott, Mikaela, du musst doch außer dir vor Angst gewesen sein.«
    »Ja«, sagte Mikaela Lijphart. »Das war ich auch. Ich hatte solche Angst, dass ich nicht mehr wusste, was ich tat. Ich kam mir vor wie eine andere ... und ich bin die ganze Nacht hindurch immer weiter gegangen.«
    »Gegangen?«
    »Ja, die ganze Nacht. Nach Norden. Um sieben Uhr morgens kam ich bei einem Fernfahrercafé in Langhuijs an. Von dort hat mich einer nach Frigge mitgenommen. Da habe ich gefrühstückt und in einem Park ein paar Stunden geschlafen. Und immer wieder geträumt, dass ich Tim Van Rippe ins Auge stach. Und ihn begrub. Als ich fertig war, wollte ich zuerst zur Polizei gehen, aber ich habe mich nicht getraut. Dann habe ich mein Bankkonto geleert, ich hatte etwas über tausend Gulden, und mir eine Bahnfahrkarte nach Kopenhagen gekauft. Hab auch dreißig Gulden aus Van Rippes Brieftasche geklaut, ehe ich sie weggeworfen habe.«
    »Nach Kopenhagen? Warum denn das?«
    Hat denn niemand die Banken überprüft?, fragte Moreno sich flüchtig. Vermutlich nicht. Schlamperei. Es wäre sicher kein Problem gewesen, diese Kontobewegung zu entdecken.
    »Ich weiß nicht so recht«, sagte Mikaela. »Ich war da einmal auf Klassenreise. Und die Stadt hat mir gefallen. Und irgendwo musste ich doch hin, oder?«
    Moreno gab keine Antwort.
    »Ich hatte ihn doch ermordet. Ich hatte ihn umgebracht und vergraben. Natürlich musste ich mich verstecken ...«
    Moreno nickte und versuchte, eine neutrale und wohlwollende Miene aufzusetzen.
    »Und was hast du dann gemacht? Den Zug nach Kopenhagen genommen?«
    »Ja. Den Nachtzug. Kam dann am Morgen an und bin in ein Hotel namens Excelsior gegangen. Hinter dem Bahnhof. Ziemlich schäbige Gegend, aber es war das erste, das ich sehen
konnte. Danach bin ich durch die Stadt gelaufen oder habe auf meinem Zimmer gelegen, bis mir klar war, dass ich dabei war, den Verstand zu verlieren. Dann habe ich meine Mutter angerufen. Ich weiß nicht, wie viele Tage vergangen waren oder so, und ich hatte in der ganzen Zeit fast nichts gegessen ... ich sagte meiner Mutter also, dass ich noch lebte, dass ich aber nicht mehr lange durchhalten würde, wenn sie nicht meinen Vater — meinen richtigen Vater — holte und zu mir käme. Ich habe sie unter Druck gesetzt, das schon, aber es stimmte auch. Es ging mir schrecklich schlecht ... ja, und dann sind sie gekommen.«
    »Deine Eltern sind zu diesem Hotel in Kopenhagen gekommen?«
    »Ja. Ich weiß nicht, an welchem Tag das war. Aber sicher war über eine Woche vergangen, seit ich Tim Van Rippe an diesem Strand umgebracht hatte. Und jede Nacht, wenn ich überhaupt einschlafen konnte, habe ich ihn wieder und wieder ermordet... ja, ich war wohl in diesen Tagen ziemlich verrückt. Aber als meine Eltern dann da waren, wurde es ein bisschen besser. Und ich habe sie dazu gezwungen, miteinander zu reden. Wir sind vier oder fünf Tage zusammen gewesen, aber mein Vater brauchte seine Medikamente, ja, und dann sind wir zurückgefahren. Meine Mutter hat jeden Tag in Lejnice auf der Wache angerufen und sich über die lahmen Ermittlungen beklagt, damit sie nicht merkten, dass wir alle drei verschwunden waren. . . wir wollten auch weiter schweigen, meine Mutter und ich. Mein Vater hat nie genau erfahren, was passiert war, wir haben nur gesagt, dass wir wissen, dass er Winnie Maas nicht ermordet hat. Es war so schwer, mit ihm zu sprechen, und danach hat Baasteuwel doch erzählt, wie schrecklich das
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