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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman
Autoren: H kan Nesser
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ganze Zeit, so kommt es mir vor.«
    Sie schien in Tränen ausbrechen zu wollen, doch dann riss sie sich zusammen und erzählte weiter.
    »Ich rief ihn an. Diesen Tim Van Rippe, meine ich. Habe ihm erzählt, wer ich bin, und gefragt, ob er Zeit für ein kurzes Gespräch hätte. Er hörte sich komisch an, aber ich habe nicht weiter darüber nachgedacht. Er sagte, er habe erst abends Zeit, und wir haben uns für neun Uhr an einer bestimmten Stelle am Strand verabredet.«
    »Für neun Uhr abends?«
    »Ja. Am Strand. Ich habe gefragt, ob er nicht früher Zeit hätte, aber er sagte nein. Also war ich dann bereit dazu. Ich habe die Zugzeiten überprüft und festgestellt, dass um elf noch einer fuhr, und deshalb wäre ich doch auf jeden Fall noch nach Hause gekommen. Dann habe ich versucht, diesen anderen anzurufen... jetzt weiß ich’s wieder, er hieß Bitowski ... aber der war nicht zu Hause. Deshalb habe ich den ganzen Nachmittag am Strand gelegen. Es war sehr schönes Wetter.«
    Mit leichtem Schuldbewusstsein dachte Moreno, dass sie denselben Nachmittag am selben Strand verbracht hatte. Wenn auch einige Kilometer weiter nördlich. Diesen ersten Sonntag. . . leicht verkatert, unbelastet und glücklich.
    »Abends habe ich ab halb neun auf ihn gewartet. An dieser Stelle, an die er mich bestellt hat ... gleich beim Pier, wie immer der nun heißt, Frieders Pier, glaube ich. Es war ziemlich menschenleer am Strand, aber noch nicht dunkel. Er kam um zehn, und wir gingen langsam den Strand entlang ... nach Norden.
Ich erzählte, und er hörte zu. Nach einer Weile setzten wir uns, ich wollte nicht mehr weitergehen, ich musste doch meinen Rucksack schleppen. Ich nahm ihn ab und sah, dass etwas nicht stimmte. Einer von den Metallstäben, die für Stabilität sorgen, hatte sich durch den Stoff gebohrt. Ich zog ihn heraus, um ihn anschließend wieder fest zu machen. Oder um ihn wegzuwerfen, was weiß ich ... ich hatte fast alles erzählt, aber ich hatte noch nicht gesagt, dass mein Vater unschuldig war. Das sagte ich jetzt. Und dann ist es passiert.«
    Sie biss sich auf die Lippe. Moreno wartete.
    »Ich sagte: Ich weiß, dass mein Vater Winnie Maas nicht umgebracht hat. Genau das habe ich gesagt. Er stand, und ich saß und bastelte an meinem Rucksack herum. Und als ich zu ihm hochblickte, ging mir auf, was wirklich passiert war. Er war der Mörder. Tim Van Rippe hat Winnie Maas ermordet, ich wusste es sofort, und er muss begriffen haben, dass ich es wusste. Ich habe seither tausend Mal daran gedacht, es muss ihm in den Ohren geklungen haben, als ich gesagt habe, dass nicht mein Vater der Mörder war. Er muss geglaubt haben, ich wollte ihn anklagen ... und ich sah, dass er auch mich umbringen wollte. Er kam einen Schritt auf mich zu und hob die Arme, und ich konnte ihm ansehen, dass er mich jetzt ermorden wollte. Er wollte mich da am Strand umbringen ...«
    Und jetzt verlor sie endlich die Fassung. Sie hatte am Ende schneller und schneller erzählt, und Moreno war nicht unvorbereitet. Sie lief um den Tisch herum und legte einen Arm um Mikaela Lijpharts zitternde Schultern. Zog ihren Stuhl heran und drückte sie an sich. Sah aus den Augenwinkeln, dass das junge Paar am Nebentisch sie verstohlen musterte.
    »Verzeihung«, sagte Mikaela Lijphart, als sie sich wieder gefangen hatte. »Ich kann einfach nicht darüber reden.«
    »Das kann ich verstehen«, sagte Moreno. »Aber es ist doch gut, dass du es versuchst. Es wird ja oft behauptet, dass wir auf diese Weise schreckliche Erlebnisse verarbeiten können. Indem wir sie noch einmal durchleben.«

    »Ich weiß«, sagte Mikaela Lijphart. »Setz dich wieder auf deinen Platz. Ich bin noch nicht fertig.«
    Sie lächelte tapfer, und Moreno kehrte auf die andere Tischseite zurück.
    »Ich fechte, habe ich dir das erzählt?«
    »Nein«, sagte Moreno. »Ich glaube nicht.«
    »Degen und Florett. Ich bin gar nicht schlecht, wenn ich das selber sagen darf ... und als er sich auf mich stürzen wollte, habe ich ihm den Stab ins Auge gestochen.«
    »Was?«, fragte Moreno. »Den Stab?«
    »Den Stabilisatorenstab aus dem Rucksack. Der war ungefähr so lang ...«
    Sie zeigte es mit den Händen. Moreno schluckte.
    » ... dreißig bis vierzig Zentimeter. Aus Metall. Ich hielt ihn doch in der Hand, es war der pure Reflex. Ich habe nicht überlegt. Habe einfach den Arm ausgestreckt und ihn im Auge getroffen. Er kippte um ... er fiel über mich, das hatte ich alles nicht gewollt, aber es ist ganz
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