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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee
Autoren: Susanne Mischke
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unverfänglicher zu sein. Sie erklärt: »Sie hat
einem Bewohner des Altenheims gehört, in dem ich arbeite. Ich habe sie gefunden
und behalten, als er verstorben ist und das Zimmer geräumt wurde. Es hat nie
jemand danach gefragt.«
    Â»Warum haben Sie die Waffe behalten, wovor hatten Sie Angst?«, fragt
Jule.
    Darauf antwortet Gertrud Wenzel nicht.
    Â»Mit dieser Waffe haben Sie Dr. Offermann und Irene Dilling getötet,
das lässt sich beweisen«, sagt Fernando.
    Â»Bei Dr. Offermann waren Sie noch vorsichtig«, fährt Jule fort, als
Frau Wenzel hartnäckig schweigt. »Sie haben ihm in der Dunkelheit aufgelauert,
sind ihm gefolgt, bis zu einer einsamen Stelle. Es war leichter, als Sie
gedacht haben, nicht wahr, ein Leben auszulöschen. Und bei Frau Dilling waren
Sie schon frecher. Es war riskant, sie am hellen Tag zu erschießen, aber Frau
Dilling war nachts gewöhnlich nicht allein unterwegs. Und es ist ja gut
gegangen. Bis auf den Zeugen, der Sie hat weggehen sehen …«
    Noch immer hält Frau Wenzel die Pistole mit beiden ausgestreckten
Armen vor sich.
    Lange hält sie das nicht mehr durch, spekuliert Jule. So ein Ding
hat ein ordentliches Gewicht. Sie wechselt das Thema: »Elise hat während der
vergangenen Monate diese einschlägigen Berichte im Fernsehen gesehen, nicht
wahr? Das hat sie aus dem Gleichgewicht gebracht. Haben Sie den Fernseher
einfach ausgemacht und die Zeitung abbestellt?«
    Je länger Jule diese steinerne Miene mit den böse blitzenden Augen
und dem verkniffenen Mund betrachtet, desto deutlicher kann sie sich das Leben
von Elise Wenzel ausmalen. Ob diese Frau da überhaupt lächeln kann?
    Â»Haben Sie nie darüber nachgedacht, was in Elise vorgeht, wenn
dieser Strauch entlassen wird?«
    Â»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, behauptet Gertrud Wenzel. Ihre
Pupillen flitzen unruhig hin und her. Sie hat die Ellbogen nun zum Körper
herangezogen, wodurch sich die Waffe leichter halten lässt.
    Â»Hat Elise Ihnen erzählt, dass sie zu Pro victim gegangen ist?«, fragt Jule.
    Schweigen.
    Â»Oder haben Sie ihr nachspioniert?«, ergänzt Fernando.
    Â»Halten Sie doch den Mund!«, fährt Frau Wenzel beide an.
    Jule geht einen Schritt auf Frau Wenzel zu und schaut ihr in die
harten Augen. »Das alles war doch nicht Elises Schuld. Sie ist doch das Opfer!
Ist Ihnen klar, dass Sie Ihr das Leben erst richtig zur Hölle gemacht haben,
all die Jahre?«
    Â»Wer sagt das? Elise?«, Frau Wenzels Stimme klingt schrill. Drohend
richtet sie die Pistole auf Jule.
    Â»Das kann sich jeder ausmalen, Frau Wenzel. Mussten Sie Dr.
Offermann ermorden, nur weil er ausgesprochen hat, wofür Sie sich geschämt
haben? Und die arme Frau Dilling, die Menschen wie Ihrer Tochter helfen wollte.
Glauben Sie mir, die wäre froh gewesen, wenn sie damals ihr Kind lebend
zurückbekommen hätte. Immer schön den Schein wahren – darum ging es Ihnen doch!
Ihnen und Ihrem Mann, dem Herrn Seelsorger«, fügt Jule mit einem unüberhörbar
hämischen Tonfall hinzu. Ihre Angst ist nun dem Zorn über diese Frau gewichen.
    Â»Was erlauben Sie sich!«, keucht Frau Wenzel. Das Kreuz, das an
einer dünnen Goldkette um den mageren Hals der aufrechten Protestantin hängt,
hebt und senkt sich im Takt ihrer Erregung und ihrer unterdrückten Wut.
    Â»Aber was war mit der Seele seiner Tochter?«, bohrt Jule weiter.
»Wurde die auf dem Altar der Scham und der Scheinheiligkeit geopfert?«
    Â»Lassen Sie gefälligst meinen Mann in Ruhe!«
    Fernando, der Frau Wenzel abgelenkt wähnt, greift in seine Jacke.
    Â»Hände weg!«, schreit die Frau Fernando an und richtet die Waffe auf
ihn, um dann gleich wieder Jule anzusehen, die einfach weiterredet, als wäre
nichts gewesen. Im Gegenteil, sie ist gerade erst so richtig in Fahrt gekommen:
»Ein tolles Gefühl, so eine Waffe, nicht wahr? Man ist Herr über Leben und Tod.
Und es ist so einfach. Viel einfacher als mit einem Messer. Obwohl Sie ja vor
Blutvergießen nicht zurückschrecken. War das nicht ekelhaft, den Leichen die
Zungen herauszuschneiden? Floss viel Blut, waren sie noch warm?«
    Fernando hält den Atem an.
    Â»Haben Sie befürchtet, dass Elise ihren eigenen Weg gehen wird, wenn
sie erst einmal den Mut gefunden hat, über alles zu reden? Ja, schon möglich«,
fährt Jule munter fort, »wer in Angst lebt, ist
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