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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut
Autoren: Colin Cotterill
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bevor sie durch die Büsche brach, bevor sie ihn zwang, den Hut aufzusetzen. Aus seinen Augen hatte keine Angst gesprochen, und das war sicher eine schreckliche Enttäuschung für die geistesgestörte Japanerin, die Frau, für die der Tod Kunsthandwerk war.
    Sissi hatte den Link zur Orange Gallery auf der Website des Mönchsrats hinterlassen. Der Absender war nicht zurückzuverfolgen. Sie wusste, dass der Aufschrei der Empörung bis ins Polizeiministerium zu hören sein und der Fall in den Medien hochkochen würde. Alle Welt suchte nach etwas Spannendem, das die Yuppie-Rebellion von den Titelseiten verdrängte. In jedem Fall würde Mika Mikata für ihre Grausamkeit bestraft werden.
    Unsere Ferienanlage war ganz still. Alle waren zu Bett gegangen. Der Tisch stand voller Flaschen und Teller und einer Gogo mit Soße ums Maul. Das Aufräumen konnte warten. Ich kickte das Moped an und fuhr nach Pak Nam, um meine Exklusivgeschichte abzuliefern. Es war eine Geisterstadt. Das Licht über dem 7-Eleven warf rote, grüne und orangefarbene Pfützen auf die Straße. Im Vorüberfahren sah ich, wie der Kassierer in eine Zeitschrift gähnte. Im Fenster über dem Laden für Pumpen und Plastikrohre brannte ein Licht, ein anderes an der Kreuzung. Es zog den Schatten einer struppigen Katze lang wie eine Giraffe. Im Internetcafé jedoch war es dunkel wie im Bananenkeller von Nintendo Kong und still wie Atlantis, nachdem die gorgonischen Invasoren vernichtet waren. Ich zog meinen Schuh aus und klopfte gegen den Fensterladen. Das Klappern hallte durch den Ort, als trampele ein einsamer Pamplona-Stier durch die Straßen, doch als Reaktion kam aus dem Fenster über dem Café nur ein müdes: »Was wollen Sie?«

Kapitel 17
    »Ich denke, wir müssen den Schlagbaum zur Mittelklasse nicht nur eliminieren. Ich denke, wir sollten den Schlagbaum ganz abbauen.«
    George W. Bush
    Nashua, NH, zitiert von Gail Collins in der New York Times , 1. Februar 2000
    F rühmorgens bekam ich einen Anruf von Dtor, meiner Freundin in Chiang Mai. Die urbanen Anarchisten hielten immer noch unser Regierungsgebäude besetzt. Seit neun Tagen waren sie nun schon da. Sie hatten Klappstühle dabei und ließen sich ihre abonnierten Zeitschriften nachsenden. Sie hatten sogar eine Reihe Toilettenhäuschen gemietet. Sie hatten Futons ausgerollt und Pizza bestellt, während die Polizisten draußen standen und sich fragten, wieso sie mit kaltem Bratreis und einer Hauswand zum Pinkeln vorliebnehmen mussten. Anarchie war eines der angesagtesten Hobbys der Mittelklasse. Längst hatte sie Pilates und Thai Chi überholt. Ich hatte die Fotos gesehen: Frauen mittleren Alters in Stretchhosen und praktischen Tops hielten ihren Mittelfinger in die Kamera. Das sollen sie mal in Birma probieren. Überall sonst könnte man davon ausgehen, dass sie von Maschinengewehren niedergemäht, mit Knüppeln verprügelt und in ihren orthopädischen Schuhen verschleppt werden würden. Verdammt, es geht um unser Regierungsgebäude. Unsere Machtzentrale. Für wen halten die sich eigentlich? Ich habe diese Leute nicht gewählt. Aber wer einflussreiche Freunde hat, muss kein Blutbad durch die Polizei befürchten. Man nimmt seinen besten iPod mit, ohne Angst haben zu müssen, dass er im Handgemenge kaputtgeht. Man weiß, dass die Gesetzeshüter es nicht wagen würden, einem etwas anzutun. Man hat die Macht im Rücken, auch wenn man sie nicht beim Namen nennen darf. Also macht man sich an sein Sudoku und schickt alten Schulfreunden E-Mails vom BlackBerry, dass man gerade an einem Aufstand teilnimmt und das Klassentreffen möglicherweise um ein, zwei Wochen verschoben werden muss.
    Pak Nam jedoch war das alles ganz egal. Es hatte Tintenfische. Alles andere interessierte nicht. Die Ereignisse im w at Feuang Fa waren wie ein Monsun durch mein Leben geweht, und als sich die Wolke verzogen hatte, stand ich noch immer auf beiden Beinen, wenn auch windzerzaust und salzverkrustet. Nach allem, was passiert war, waren die Wichtigtuer wahrscheinlich wieder unter ihre Steine gekrochen und ließen Abt Kem und Schwester Bia das tun, was sie bestimmt gar nicht taten. Aber eine neuerliche Beschwerde wurde erhoben, und der nächste Tempelschnüffler war schon unterwegs. Für meinen Seelenfrieden musste ich wissen, woher diese mönchische Hartnäckigkeit rührte.
    Als ich beim Tempel ankam, strich die Nonne gerade die andere Wand an, und auch das Gras drumherum. Sie trug ein weißes Käppchen am Hinterkopf.
    »Wie ich sehe,
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