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Der Toeter und andere Erzaehlungen

Der Toeter und andere Erzaehlungen

Titel: Der Toeter und andere Erzaehlungen
Autoren: Veijo Meri
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lag, die Augen offen, regungslos da. – Ich sterbe zum Verrecken nicht, klagte er und untersuchte seine Stirn.
    – Seht nach, Jungens, ob das Loch bis hinten durchgeht.
    Auch ohne genauer hinzusehn, sah jeder hinten das
Loch im Schädel.
– Ich seh kein Loch, sagte jemand.
    Huttunen richtete sich zum Sitzen auf. Huttunen erhob sich, kam auf die Beine.
    – Ich geh zum Verbandsplatz, sagte er leise, in zweifelndem Ton.
    Huttunen ging zum Graben hinüber. Der neben ihm gestanden hatte, blickte ihm nach und sah, wie er hinter dem Grabenknick verschwand.
    Der feindliche Scharfschütze lag im Sumpf am Flußufer ihnen direkt gegenüber, denn die Kugel war Huttunen durch Stirn und Hinterkopf – Genau mittendurchgegangen!
    Mäenpää sah sich bereits feuern und das Biest unten mit dem MG vernichten. Im Handumdrehn, damit ihm die anderen nicht zuvorkämen, krallte er sich in den Griffen fest und feuerte eine Serie ins Moor ab. Das ging so blitzartig und ohne Überlegung – die im Gefühl der Sicherheit eingelullte Angst kam nicht dazu ihren Finger zu erheben. Eine Kugel flatschte in seine Stirn, und schlug durch, unbemerkt unter dem langen Haar im Nacken. Mäenpää richtete sich steil auf, als versuchte er nach oben zu fallen, und zog, während er weiterfeuerte, das MG mit sich empor. Das MG hackte seinen lose klappernden Takt eintönig stupide fort. Als Mäenpää Schluß machte, von oben herunterkam, bückte er sich, um den Schritt nicht zu verfehlen. Er brach zusammen, ohne einen Laut von sich zu geben, ohne daß sich ein Finger an ihm krümmte.
    Als sich die Männer schließlich wieder vorwagten, um die Lage hinter dem Fluß zu erkunden, war dort ein merkwürdig gekrümmter Haufen erschienen, den es da vorher nicht gegeben hatte. Wann Mäenpää zu stöhnen begonnen hatte, war ihnen entgangen. Aber er war am Leben und zwei von ihnen brachten ihn fort.
    – Ich werde niemals im Krieg sterben, sagte er. Das war sein Reden seit je, und deshalb nicht weiter verwunderlich, aber gleichzeitig entwand er sich den Händen seiner Begleiter. Als er im Eingang des Sanitätszeltes den Kopf einzog, sank er ohnmächtig zusammen. Der diensttuende Sanitäter stellte fest, daß ihm eine Kugel durch den Kopf gegangen sei, und schleife ihn fort, hinter das Zelt zu den Gefallenen. Dort lagen vier Männer, drei von ihnen mit Kopfschuß zwischen den Augen: zur Strecke gebrachte Opfer des Scharfschützen.
    Der Arzt war unterdessen mit Huttunen beschäfigt; er hielt das Unmögliche nicht für möglich. Huttunen sollte sich auf den Tod gefaßt machen, da er nun einmal noch nicht gestorben sei. Der endgültige Tod könne jeden Augenblick eintreten, leise und unbemerkt. Mäenpää kroch ins Zelt zurück.
    – Was krauchen Sie hier herum? fragte der Arzt. – Wenn ich den Kopf einziehe, sterbe ich, sagte Mäenpää, von seinen Ohnmachtsanfällen verwirrt. – Und wenn ich ihn nicht einziehe, sterbe ich. Der Arzt überließ Huttunen dem Sanitäter und befahl, ihm einen Verband zu machen. Er untersuchte Mäenpää. Er schüttelte den Kopf. Auch bei diesem Mann war nichts zu hoffen, jeden Augenblick konnte es soweit sein.
    Es war bereits Nachmittag. Im Zelt gab es nur Huttunen und Mäenpää. Ein friedlicher Nachmittag, es konnte einem so vorkommen, als habe es auf der Welt immer nur diesen Nachmittag gegeben. Sie lagen nebeneinander auf Matratzen, durch die Zeltwände schien Gottes schöner Tag. Sie warteten. Huttunen begann ein leises Ziehen im Kopf zu spüren, er sagte es Mäenpää. Etwas später begann das Ziehen auch bei Mäenpää.
    Erst nach einem Monat kamen Huttunen und Mäen-
    pää zu ihrer Einheit zurück. Sie waren von einem klugen Doktor untersucht worden, der den Grund für ihre Unsterblichkeit wußte. Das habe es auch schon früher, im ersten Weltkrieg gegeben, daß ein Mann, dem es an der empfindlichsten Stelle im Kopf den Schädel durchschlagen habe, am Leben geblieben sei. Es mußte im Gehirn einen für Kugeln passierbaren Kanal geben, eine Zone, die gegen durchschlagende Kugeln immun war. So mußte es sein. – Ein übertrieben scharfer Schütze war das. Schießt dem Huttunen und Mäenpää durch den Kopf, haarscharf am Ziel vorbei.

    Nagelkisten

    Rechterhand lag der Finnische Meerbusen, grau, riesig und plan, wie der Tod selber. Auch mitten am Tag blickte man am Horizont wie in eine dunkle Ecke. Die Wellen schienen sich auf der Stelle zu halten, wie sehr man sich auch Mühe gab, eine Bewegung er erkennen. Wer weiß wie
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