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Der Toeter und andere Erzaehlungen

Der Toeter und andere Erzaehlungen

Titel: Der Toeter und andere Erzaehlungen
Autoren: Veijo Meri
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bemerkt, und er wisse schon. Das MG hatte sich dicht an der Mündung des von Osten herkommenden kleinen Nebenflusses eingenistet, und wahrscheinlich mit dem Aufrag, im versumpfen Flußgelände eine seitliche Truppenverschiebung zu verhindern. Es gab dort auch etwas weiter entfernt eine Brücke, aber die war nicht passierbar, noch nicht einmal nachts, weil sie sich deutlich gegen das Wasser abzeichnete und weil das MG dort freies Schußfeld hatte, die Brücke unter Beschuß nehmen konnte auch bei völliger Dunkelheit. Das MG-Nest war von der gegenüberliegenden Seite des Flusses her nicht zu beschatten, der Sumpf war bodenlos und nicht begehbar. Davon abgesehn war es nicht gut möglich, ein MG mit einer einfachen Büchse außer Gefecht zu setzen. Und sich mit einer Panzerbüchse ins vorgeschobene Gelände zu begeben, lohnte sich ebensowenig. Er ging auf sein Zimmer, nahm sein Essen ein und reinigte sorgfältig sein Gewehr, obgleich er nicht damit geschossen hatte. Er füllte die Patronentaschen mit neuen Patronen. Er hatte Spezialpatronen, deren Pulverkörner genau abgezählt waren. Auf dem Moor könnten die Patronen und das Gewehr Feuchtigkeit angezogen haben. Ebenso sorgfältig wie für seine Waffe sorgte er für sich selbst. Er achtete darauf, daß die Zusammensetzung der Nahrung zweckentsprechend sei. Wenn er sich morgens gründlich entleert hatte, war er wieder für einen ganzen Tag fit, ohne an die Befriedigung seiner Bedürfnisse oder die Verrichtung seiner Notdurf denken zu müssen.
    Als ihn die Wache am frühen Morgen weckte, stieg er in seinen Tarnanzug und bekleidete sein Gewehr. Er war entschlossen, sich mit dem MG-Nest zu befassen. Die Sache schien ohne weiteres klar zu sein, als hätte sein Gehirn nachts im Schlaf die Entscheidung getroffen, wie die Aufgabe durchzuführen sei, obgleich es sich um eine schwierige Gleichung handelte, in der es verschiedene Unbekannte gab. Er dachte schon nicht mehr an seine Verlegung, die beschlossen und bereits mit ihm abgesprochen war, an den Einsatz auf dem anderen Abschnitt, wo man ihn sehnlich erwartete. Es gab ja für ihn auch hier noch eine sauber umrissene Aufgabe, und er war sich völlig im Klaren über deren Durchführung. Er zog die Generalstabskarte aus der am Nagel hängenden Kartentasche und vergewisserte sich, daß es da wirklich einen Weg gab, auf dem man auf der anderen Seite des Nebenflusses in den Abschnitt des II. Regiments gelangen konnte. Er hatte nicht gewußt, daß es solch einen Weg gab, ihn aber als bekannte Größe in seine Berechnung eingesetzt. Nebenbei ging ihm auf, daß der Leutnant ihn angelogen hatte mit dem was er am Abend zuvor über die Gefährlichkeit des MGs erzählt hatte. Wenn das MG-Nest von der Gefechtslinie aus nicht zu beschießen war, wie konnte es dann umgekehrt möglich sein, von dort aus den Abschnitt unter wirksamen Beschüß zu nehmen. Aber irgendetwas brauchte der Leutnant ja wohl, um sich wegen der Verluste seiner Kompanie rechtfertigen zu können. Und der Bataillonskommandeur glaubte, was man ihm einzureden versucht hatte.
    Sie mußten einen Umweg von vierzig Kilometern machen, ehe sie ans Ziel kamen. Er schickte den Kradfahrer zurück und befahl ihm, ihn abends am selben Platz wieder abzuholen. Er robbte am Fluß entlang und arbeitete sich zur Flußmündung vor, bis ihm das MG-Nest auf der anderen Seite genau gegenüberlag. Das Flußufer war leichter begehbar als das auf der feindlichen Seite. Der Leutnant hatte zum Schluß von diesen unheilvollen Ufern geredet, am Abend.
    Er richtete sein Gewehr auf das Nest und starrte durchs Glas. Im ersten Tageslicht tauchte in der schwarzen Öffnung der Umriß eines MGs auf, ein Modell mit Wasserkühlung. Gegen die Waffe selbst war er machtlos, aber deren Bedienungsmannschaf konnte er außer Gefecht setzen, dem Gegner sogar an dieser Stelle einen solchen Schlag versetzen, daß ihm für längere Zeit die Puste ausgehen würde. Vereinzelte Gewehrkugeln zischten pfeifend durch die Luf.
    Alles schien auf einen sehr ruhigen Tag hinzudeuten. Nur von fern hörte man im Norden das dumpfe Grollen der Artillerie.
    Als im rückwärtigen Flußgelände wildes Geschrei losbrach, begleitet von spärlichem, zaghafem Gewehrfeuer, das sich schließlich zu ohrenbetäubender Knallerei steigerte, wie bei einem Zusammenstoß mit einem feindlichen Stoßtrupp, kümmerte er sich nicht darum. Er bemerkte den im Fluß tauchenden Mann erst, als die Strömung ihn bereits dicht an seine Schußlinie
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