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Der Todesbote

Der Todesbote

Titel: Der Todesbote
Autoren: Jaques Buval
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einer der größten Massenmörder unserer Zeit, war schier verzweifelt, wenn er seine Opfer nach den Tötungen verlassen musste. In einem seiner vielen Interviews versuchte er dafür eine Erklärung zu finden: »Bei meinen weiblichen Opfern war es sehr frustrierend für mich, dass ich sie nicht behalten konnte, wie andere Männer ihre Freundinnen. Nachdem ich sie getötet hatte, verging ich mich an ihnen. Aber sie waren eben tot. Oft saß ich Stunden neben ihnen, wollte mit ihnen reden. Doch plötzlich waren sie ganz kalt und starr. Das ärgerte mich sehr. Meist vergrub ich sie und besuchte sie in den nächsten Tagen wieder. Ich grub sie wieder aus und wollte wieder mit ihnen Spaß haben. Doch als ich sah, wie sie aussahen, glauben Sie mir, das bereitete mir keine Freude mehr, und ich suchte mir neue Opfer. Aus diesem Grunde wurden die Zeiträume auf der Suche nach dem Neuen immer kürzer.«
    Auch Anatolij Onoprienko verlangte stets nach neuen Opfern. Seine Gier zu töten wurde immer ausgeprägter. Nach seiner Verhaftung versucht die Staatsanwaltschaft mit seiner Hilfe alle seine Taten zu rekonstruieren. Es sollten für die Beteiligten, meist abgebrühte Beamte, Fahrten des Schreckens werden. Für den Täter waren sie »ein Rückblick in meine Lebensphilosophie, ein unvergänglicher Beweis dafür, der Nachwelt ein Zeichen gesetzt zu haben«.
    Die Reisen zu den Orten seiner grauenhaften Taten trat er voller Freude an. »Er war stets gut gelaunt, wenn er erfuhr, dass eine dieser Tatortbesichtigungen auf der Tagesordnung standen«, weiß ein beteiligter Beamter zu berichten. »Oft hat er sich für diese Ausflüge extra rasiert und seine beste Kleidung angezogen. Man konnte fühlen, dass er seine Taten noch einmal mit einer inneren Freude durchlebte. Die Menschen, die hinter den Absperrungen standen und das barbarische Demonstrieren des Tötens beobachteten, waren tief geschockt.«

    Längst haben sich die langen schwarzen Schatten der Taten in die Seelen der Hinterbliebenen gebrannt. Unfassbar ist ihre Wut, den Menschen aus der Nähe zu erleben, dem es Freude bereitet, seine grauenhaften Attacken gegen ihre Liebsten zu dokumentieren. Wen können die Worte einer kleinen, fast zerbrechlich wirkenden Frau verwundern, die Zeugin dieser Rekonstruierung wurde und sehen musste, auf welche Weise man ihre Kinder und Enkelkinder tötete: »Dieser Mann mit seinem unheimlichen Doppelleben hat das Leben unzähliger Familien zerstört. Auch das unsere. Nichts ist mehr so wie früher. Es gibt kein Kinderlachen mehr in unserem Haus. Er hat selbst diese unschuldigen Leben ausgelöscht. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter, wenn ich dieses eiskalte Monster betrachte und sehe, wie es ihm Spaß macht, unsere Herzen zu quälen.«
    Die alte Frau macht eine lange Pause, bis sie wieder im Stande ist weiterzusprechen: »Ich bin kein Richter. Ich bin eine alte Frau. Was soll ich Ihnen sagen, was ich dieser Bestie von einem Menschen wünsche? Auch er hat ein Leben, wie meine Kinder.«
    Sie presst ihre schmalen Lippen zusammen, und aus ihren Augen leuchtet Zorn: »Vielleicht gibt es auf dieser Welt noch einen böseren, ja noch brutaleren Menschen als ihn, ich würde mir wünschen, er würde ihm begegnen. Auch er soll in die Hölle sehen können und erleben müssen, welche Qualen seine Opfer erleben mussten. Für mich ist er der Doppelgänger des Teufels.«
    Langsam öffnet sie ihre abgewetzte Handtasche und kramt ein Bild hervor. Darauf erkennt man, was dieser Mann ihr nahm. In einem Leichenschauhaus aufgebahrt liegen in einfachen Särgen ein Mann, eine Frau und deren Kind. Die Gesichter sind mit einem Tuch zum Teil abgedeckt. Es war nicht mehr möglich, das Geschehene zu retuschieren.
    Kopfschüsse wurden mit einer Blume verborgen, abgetrennte Glieder unter der Leichendecke versteckt.
    Die vergrämte Frau will nicht mehr weitersprechen. Sie verlässt den abgesperrten Platz mit einem letzten Blick auf den Täter. Ihre zarten Finger deuten noch einmal auf Anatolij Onoprienko, doch der Schmerz schnürt ihre Kehle zu. Ein hünenhafter Polizist, der in ihrer Nähe stand, greift ihr wortlos unter die Arme und verlässt mit ihr den Platz des Geschehens.
    Noch bevor man ihn von diesem Platz wegbringt, erklärt Anatolij Onoprienko den umstehenden Menschen: »Sie müssen wissen, ich habe alle diese Taten als Herr der Welten getan. Ich musste es tun! Was blieb mir anderes übrig. Ich hatte nur meinen Auftrag zu erfüllen.«

Ein Verbrechen wird
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