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Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Titel: Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
Autoren: Gerhard Feix
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viereinhalb Jahren Zuchthaus verurteilte, war einer von ihnen. Dieser gewissenlose Betrüger, von dem übrigens kein Mensch mit Sicherheit sagen konnte, ob er wirklich Nemeth hieß, hatte weder vor der Kriminalpolizei noch vor Gericht ein Geständnis abgelegt. Das Urteil konnte sich daher lediglich auf die Aussagen der Zeugen und eine Kette von Indizien stützen. Nicht einmal seine Personalien gab Nemeth an. Zur Feststellung seiner Identität bedurfte es daher eines daktyloskopischen Gutachtens und der Zusammenarbeit zwischen der Polizeidirektion Wien, dem Reichspolizeichef von Kopenhagen und den Erkennungsdienstzentralen in München und Karlsruhe.
    Nemeth war keineswegs ein Einzelfall. Allein im Raum Lübeck trieben damals neben unzähligen Gelegenheitsbetrügern zwei weitere Hochstapler seines Rangs ihr Unwesen. Da war zum Beispiel der siebzehnmal vorbestrafte Paul Friedrich alias Paulo Lorenz, der sich für den steinreichen brasilianischen Chef des Hauses „Kaffee-Lorenz" aus Santos ausgab, eine gut florierende Schwindelfirma aufzog, über die er mehreren westdeutschen Firmen die Vergabe von Riesenaufträgen für Landmaschinen vorgaukelte, und der dabei so sicher auftrat, daß selbst versierte Fachleute fest davon überzeugt waren, mit dem Kaffeemillionär Lorenz höchstpersönlich zu verhandeln. Friedrich betrieb außerdem ein lukratives Auswanderungsgeschäft via Brasilien. Im April 1946 von einem britischen Militärgericht in Lübeck zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, doch bereits Ende des Jahres 1947 wieder aus der Haft entlassen, beging er sofort neue Betrügereien. Diesmal gab er sich in Schleswig-Holstein als der reiche Brasilianer Lawrence aus. Seltsamerweise war keinem seiner zahlreichen Opfer aufgefallen, daß der angebliche Brasilianer nicht ein einziges Wort Portugiesisch, die Landessprache Brasiliens, verstand.
    Im Dezember 1947 verhaftete die Lübecker Kriminalpolizei den vierzehnmal vorbestraften Rückfallbetrüger Kurt Reuter. Die Anzeige war vom Entnazifizierungsausschuß erstattet worden. Der angebliche Doktor und Ingenieur Reuter, der sich mit Hilfe gefälschter Unterlagen und meineidiger Erklärungen die Anerkennung als politischer Häftling erschlichen hatte, betrieb ein höchst zeitgemäßes und überaus einträgliches Geschäft. Er gab einer beträchtlichen Zahl ehemaliger Mitglieder der Nazipartei für Beträge zwischen 550 und 30000 Reichsmark das Versprechen, ihre glimpfliche Entnazifizierung zu beschleunigen. Das wollte er angeblich über seinen Freund, einen britischen Kontrolloffizier in Kiel, arrangieren. Vornehmlich Ärzte, Lehrer, Gewerbetreibende und deren Frauen, die Angst davor hatten, sich für ihre Zugehörigkeit oder Mitwirkung in faschistischen Organisationen zu verantworten, waren seine Kunden. Vom Ergebnis der „Entnazifizierung", d.h. von der Einschätzung des DENA-Ausschusses, hing es damals ab, ob ehemalige Nazis weiterhin ihren Beruf ausüben und über ihr Vermögen verfügen durften oder ob sie ein Berufsverbot erhielten oder gar gerichtlich zur
    Verantwortung gezogen wurden. Das war zu jener Zeit, als in den Westzonen noch besonders unter den ehemaligen kleinen Nazis das große Zittern herrschte und sogar jene für den begehrten „Persilschein" katzbuckelten, die sich schon wenig später ganz unverhohlen ihrer faschistischen Vergangenheit rühmten.
    Der Kriminelle Kurt Reuter hatte wie die meisten Betrüger eine feine Antenne dafür, welche Leimrute am besten fängt. Nicht nur Betrüger, auch andere kriminelle Elemente paßten sich rasch den neuen politischen Verhältnissen an. Zu ihnen gehörten vor allem jene, die die Demarkationslinie, also die von den Alliierten mitten durch Deutschland gezogene Grenze, für ihre Straftaten ausnutzten. Die meisten von ihnen waren Schieber, Spekulanten und Hamsterer, die aus dem unterschiedlichen Warenangebot in den einzelnen Zonen Gewinn schlagen wollten und daher zu Schmuggelzwecken illegal die Grenze passierten. Das war nicht sehr schwer. Die Grenze war unübersichtlich, nicht eindeutig markiert, löchrig und damals zumeist nur an den Straßen- und Bahnübergängen bewacht. Neben Schmugglern und anderen zwielichtigen Gestalten überschritten auch Tausende von Flüchtlingen, Versprengten und Alleinstehenden die sogenannte grüne Grenze, um im anderen Teil Deutschlands Verwandte oder Freunde zu suchen. Es war, wie gesagt, nicht schwer, die Grenze zu passieren, sofern man Ortskenntnisse oder eine gute Karte besaß. Wem es
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