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Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)

Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)

Titel: Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
Autoren: Bernd Stelter
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Menge nette Menschen am Werk, die allesamt über ungeahnte kriminelle Energien verfügten, aber letztendlich war ihre Anzahl doch begrenzt. Denn auch der Tatort war begrenzt. Es handelte sich um einen Nildampfer, und jeder Verdächtige, der fliehen wollte, würde unweigerlich von den Rettungsbooten von Lacoste zerfleischt werden.
    Zehn oder acht oder vierzehn Verdächtige, von denen alle ein Motiv, aber keiner ein Alibi hatte, versammelten sich auf fünfundzwanzig Quadratmetern. Dann betrat der Detektiv den Raum, und mithilfe seiner unnachahmlichen Logik, seiner Intuition und seines Einfühlungsvermögens löste er den Fall, wie Piet morgens in der Kantine die drei Sudokus in der Tageszeitung löste.
    Natürlich gab es in Middelburg solche Tatorte. Wenn beispielsweise ein alter Skipper auf einem Hausboot umgenietet werden würde, dann wäre der Raum recht klein. Alle Verdächtigen aufs Hausboot, zwei Agenten auf die Kaimauer, die niemanden rauslassen, und Piet würde ihnen schon zeigen, dass Hercule Poirot doch nur ein Belgier war. So einfach wär’s, aber in den letzten einunddreißig Jahren, und so lange war Piet nun schon bei der Polizei, war noch nie jemand auf einem Hausboot ermordet worden. Wenn überhaupt mal jemand in Middelburg ermordet wurde, dann lag der einfach tot in der Gracht. Und die Verdächtigen waren auch nicht alle in einem Raum versammelt, meist gab es gar keine Verdächtigen.
    Piet hatte trotz dieser widrigen Umstände schon viele Fälle aufgeklärt, er hatte eine Menge Betrüger und Strauchdiebe hinter Schloss und Riegel gebracht. Er hatte dafür gesorgt, dass es immer noch Touristen gab, die glaubten, in Middelburg gäbe es gar kein Rotlichtviertel. Vielleicht hatte er einfach mitgeholfen, dass man in der kleinen Stadt dieses Gefühl von Sicherheit hatte.
    Aber für diese Eleganz in der Ermittlung, für ein eloquentes Plädoyer, an dessen Ende ein Verdächtiger einfach in Tränen ausbrechen musste, auf die Knie sank und dann sagte: »Ja, Inspecteur van Houvenkamp, ich war es, ich wollte es nie zugeben, aber Sie haben mich so in die Enge getrieben, dass ich keinen Ausweg mehr sehe!«, dafür hatte sich nie eine Chance geboten.
    Noch nicht, aber Piet würde nicht aufgeben, noch nicht. Er war jetzt dreiundfünfzig, und wenn er sich nachmittags im Spiegel betrachtete, dann war er eigentlich ziemlich zufrieden mit dem, was er sah, morgens nicht, aber nachmittags schon. Gut, das Hemd spannte ein bisschen über dem Bauch, und er trug die Laufschuhe nur, damit alle zumindest noch glaubten, er könne einem Verbrecher mühelos zwei, drei Straßenzüge weit hinterhersetzen. Das konnte er nicht, er wusste es, aber dafür waren die Schuhe auch ziemlich bequem.
    Piet legte das Buch auf den Wohnzimmertisch und ging pinkeln. Er schaute in den Spiegel. Seine Haare waren ein bisschen länger, als man sie im Moment trug, aber das war okay! Er hasste diese kurz geschorenen Bodybuildertypen, die sich mittlerweile auch in seiner Wache breitgemacht hatten. Er war zehn Jahre älter als die, und er wollte auch zehn Jahre älter sein. Damals hatten sie noch viel längere Haare gehabt, sie hatten noch Träume, Ziele. Sie hatten sie nicht erreicht, aber das war kein Grund, sich die Haare raspelkurz rasieren zu lassen.
    Er ging in die Küche und nahm sich ein Grolsch aus dem Kühlschrank. Er ploppte die Flasche auf. Sieben Jahre noch, sieben Jahre bis zur Pensionierung, sieben Jahre, das war gar nicht so eine lange Zeit. Sein Fall würde nicht mehr kommen. Solche Fälle gab es nicht mehr. Aber warum sollte er sich darüber Gedanken machen? Er war geachtet, die Kollegen wussten, was sie an ihm hatten, die kleinen Gangster hatten eine gehörige Portion Respekt vor ihm, alles war okay. Es fehlte nur dieser eine Fall.
    Das Grolsch füllte kühl und schaumig seinen Mund-raum, die Flüssigkeit benetzte seine Stimmbänder, die er in den letzten vier Stunden nicht mehr benutzt hatte. Vielleicht lag es daran, dass sich seine Stimme so kratzig und unfreundlich anhörte, als er in den Hörer sprach. Das Telefon hatte genau in dem Moment geklingelt, als er die Flasche neben das Buch auf den Tisch stellte.
     

    »Van Houvenkamp«, meldete er sich, »was um alles in der Welt ist los?«
    »Ich bin’s, Annemieke. Ich weiß, es ist Samstag, und wahrscheinlich spielen gerade irgendwelche Männer im Fernsehen Fußball. Aber wir haben einen Toten!«
    »Einen Toten? Lass mich raten.« Pause! Annemieke ahnte, dass er sarkastisch grinste,
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