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Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Titel: Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
Autoren: Claus Riemann
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die Geburt ist in gewisser Weise eine EntScheidung, und diese erste Trennung ist ein Symbol für viele weitere Entscheidungen und Geburten im späteren Leben, die notwendig sind, damit wir lebendig bleiben, damit wir nicht versteinern. Es geht hier auch um Abschied, denn der erste große Abschied, den wir erfahren, ist die Geburt. Widder sein heißt deshalb immer auch, »abschiedlich« zu leben, zu wissen, dass es im Leben – in unterschiedlichen Formen – immer wieder um Aufbruch geht.
    Therapeutische Erfahrungen zeigen übrigens Parallelen auf zwischen dem ersten Abschied, der Geburt, und späteren: Menschen, die zum Beispiel im Taxi geboren wurden, es eilig hatten bei der Geburt, trennen sich in der Regel auch im späteren Leben schneller als »übertragene« Kinder oder Zangengeburten.
    Im Märchen gibt es den so genannten »heiligen Frühling«, den Moment, in dem der Held sein altes Reich verlassen muss. Das alte Königreich steht für das Reich des Vertrauten, des bereits Bewussten. Jung hat gesagt, was lange bewusst ist, wird schal und unlebendig, wie der alte, graue König am Anfang eines Märchens, dem das Wasser des Lebens fehlt. Der Impuls, der neues Leben bringt, befindet sich immer im Universum nebenan, in der anderen, unbekannten Welt, deswegen müssen die Helden im Märchen ins Unbekannte, ins Neuland gehen, mit aller Angst und Lust, die das mit sich bringt. Das muss nicht eine Reise nach Australien bedeuten, es kann auch ein Aufbruch in geistiges Neuland sein.
    Kein Zeichen weiß so viel von diesem Abschied, der immer wieder erfolgen muss, wie Widder. Diese Energie ist nicht dazu geeignet, Burgen zu bauen und Wurzeln zu schlagen (dieser Impuls dominiert im folgenden Tierkreiszeichen Stier).

Der Pionier
    Ein Begriff aus dem Zen-Buddhismus erscheint mir besonders geeignet, um Widder-Weisheit zu formulieren: Der Anfängergeist, der unterschieden wird vom Geist des Experten. Der Anfängergeist entspricht einer Lebenshaltung, die jeden Moment so angeht, als hätte man keine Erfahrung, als wäre man ein unschuldiges, neugeborenes Kind. Der Expertengeist hingegen ist das, was wir alle mehr oder weniger gut beherrschen: Wir hören, was wir wissen, und wir sehen, was wir wissen, und alles, was uns eigentlich neu berühren könnte, wird in alte Erfahrungsschubladen gesteckt. Jemand, der diese Widder-Weisheit im Comic verkörpert, ist Hägar der Schreckliche, der das Pech hat, als kriegerischer Wikinger einen Sohn zu haben, der ständig Bücher liest und ausgerechnet Hamlet heißt. In einer dieser Geschichten ertappt er seinen Sohn wieder einmal beim Bücherlesen und sagt die wunderbaren Worte zu ihm: »Pass mal auf, mein Lieber, du brauchst nicht zu glauben, dass dein Bücherwissen dich irgendwie weiterbringt, weil: Unwissenheit ist die Mutter aller Abenteuer.« Das könnte ein Widder-Leitsatz sein.
    Noch ein Wort zur Entscheidung, die ein zentraler Begriff der Widder-Philosophie ist. Sie steht für die Fähigkeit und Notwendigkeit, das trennende Schwert zu gebrauchen, entweder – oder zu sagen, Polaritäten zu akzeptieren, auch selbst zu polarisieren. Don Juan, der alte Schamane und Lehrmeister von Carlos Castaneda, sagt: »Ein Krieger trifft eine Entscheidung und akzeptiert dann, was passiert.« Ein sehr einfacher und sehr tiefer Satz. Der Krieger ist überhaupt nicht negativ zu verstehen, er symbolisiert einen Menschen, der mit aller Entschiedenheit das tut, was sein Herz ihm sagt. Eine Entscheidung zu treffen, deren Konsequenzen nicht abzusehen sind, nicht im Sinne einer Um-zu-Haltung oder einer Kosten-Nutzen-Kalkulation, das ist Widder-Qualität. Wenn ich weiß, was eine Entscheidung für Konsequenzen hat, tue ich mich leicht.
    Die Unschuld, die den Widder so stark kennzeichnet, und seine Affinität zu unbekannten Situationen passen sehr gut zu der Haltung, wie sie Don Juan formuliert hat. Der weise Widder akzeptiert die Folgen seiner Entscheidung, wie auch immer sie ausfallen mögen. Wenn er mit seinem Job unzufrieden ist, wartet er nicht, bis er sicher sein kann, einen besseren oder einen mindestens gleich guten Job zu finden. Wenn sein Herz ihm sagt, dass diese Arbeit nicht die richtige ist, dann macht er sie einfach nicht mehr. Vielleicht wird er lange Zeit keinen Job finden oder schon übermorgen einen besseren, wer weiß das schon. Die Widder-Haltung kommt aus der Entschiedenheit des Herzens, des eigenen, tieferen Wollens: »Ich will« ist sein Leitsatz.
    Ich las einmal von der Begegnung eines
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