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Der Thron des Haryion

Der Thron des Haryion

Titel: Der Thron des Haryion
Autoren: Hubert Haensel
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Schritte weit zu laufen, um am Rand einer Erhebung, an der sich Staub abgelagert hatte, einen kleinen Fußabdruck zu finden.
    Von da an schwieg der Beuteldrache verbissen.
    Sie gelangten immer weiter auf die Rückseite des Stockes, wo kaum gekämpft wurde. Mehrmals mußten sie umkehren, weil ein Weiterkommen auf dem verhärteten Geflecht nicht mehr möglich war. Aber sie fanden auch erneut Spuren, die ihnen bewiesen, daß sie noch auf dem richtigen Weg waren.
    »So fangen wir ihn nie«, stellte Gerrek schließlich fest. »Über kurz oder lang muß Yoter uns bemerken. Wir sollten versuchen, ihn einzukreisen.«
    Flinker als der Beuteldrache huschten die Aasen davon, ließen ihn gar nicht mehr zu Wort kommen.
    »Pack«, schimpfte Gerrek und kletterte mißmutig weiter. Durch die Drehung des Stockes wurde jetzt der Westanker sichtbar. Er achtete kaum darauf. Aber dann, wenige Atemzüge später, hielt er überrascht inne. Seine Rechte umklammerte den Knauf des Kurzschwerts.
    Keine zehn Schritte vor ihm kauerte Yoter. Zweifellos war dies das Wesen, das er schon auf dem Felsanker kurz zu Gesicht bekommen hatte. Nicht viel größer als ein Aase, ein richtiges Federbündel und wahrscheinlich eine junge Haryie, machte es sich am Geflecht zu schaffen.
    Vorsichtig schlich Gerrek näher. Das Schwert ließ er stecken, denn mit diesem Wicht würde er auch so fertig werden.
    Doch irgend etwas weckte Yoters Aufmerksamkeit. Einen spitzen Schrei ausstoßend, blickte er auf, schleuderte gleichzeitig einen Stein nach Gerrek und schickte sich an, durch die Öffnung im Stock zu verschwinden. Das alles kam für den Beuteldrachen so überraschend, daß er nicht einmal Zeit fand, auszuweichen. Der Stein traf ihn an der Schulter und ließ ihn taumeln.
    Im rechten Augenblick huschte Lankohr heran. Der Aase sprang, bekam die Haryie an den Schwingen zu fassen und zerrte sie mit sich zu Boden. Bevor Yoter zur Gegenwehr fähig war, hatte Lankohr ihn schon niedergerungen und setzte ihm seinen Dolch an die Kehle.
    »Schön ruhig«, zischte er. »Wir würden uns nämlich gerne noch mit dir unterhalten.«
    Auch Heeva kam nun heran.
    »In dir steckt mehr, als ich erwartet hätte, Lankohr«, sagte sie. »Ich glaube, du kannst Yoter jetzt auf die Beine stellen. Er hat bestimmt viel zu erzählen.«
    Da war nichts Dämonisches an der jungen Haryie. Lankohr wollte sie hochzerren, hielt aber unvermittelt einen Flügel in der Hand. Entgeistert prallte er zurück.
    »Was…? Bei allen Geistern der Schattenzone, das ist eine Überraschung.«
    Im Nu waren Heeva und Gerrek neben ihm. Sie hielten den heftig um sich schlagenden Yoter fest, während Lankohr damit begann, ihm das Federkleid über die Ohren zu ziehen. Es war nur Tarnung. Ein Wicht von durchaus menschlicher Gestalt kam darunter zum Vorschein.
    Er mochte drei Fuß groß sein, sein Kopf wirkte jedoch durch eine gewaltige Mähne aus borstigem, sich zu blätterförmigen Strähnen formendem Haar übermäßig groß und rund. Das fast schon häßlich zu nennende Gesicht mit den leicht zusammengekniffenen Augen schien dagegen winzig. Der Mund war verhältnismäßig breit und zahnlos, die Lippen bildeten zwei trotzig vorgewölbte fleischige Wülste.
    »Ein seltsames Küken«, stellte Gerrek völlig überflüssig fest.
    Heeva achtete nicht darauf.
    »Bist du wirklich Yoter?« wandte sie sich an den Kleinen.
*
    Das Schwarz wand sich in wilden Zuckungen. Es schien zu pulsieren, weitete sich aus, und schon bald waren die äußeren Räume des Stockes von schier undurchdringlicher Finsternis erfüllt.
    All das spielte sich im verborgenen ab. Keine Haryie weilte mehr in der Nähe, seit es den Zaron an weit entfernter Stelle gelungen war, in den Stock einzudringen.
    Schwefliger Dunst wälzte sich träge durch die Gänge entlang des Westankers. Gespenstische Laute ließen Wände zerbrechen und Decken einstürzen. Gierig griff die Schwärze um sich, unersättlich.
    Und wie Schemen der Unterwelt stampften sie daraus hervor:
    Shrouks!
    Noch stellte sich ihnen niemand entgegen. Die ersten Nesfar starben, ohne begreifen zu können, welches Unheil über sie hereingebrochen war. Dann aber pflanzte sich die Schreckensnachricht wie ein Lauffeuer fort.
    Die Saat des Bösen wütete fürchterlich. Niemand konnte ihr Einhalt gebieten. Selbst zu Dutzenden waren die Haryien machtlos gegen diese Kreaturen. Asmilai warf ihre Kriegerinnen in eine Schlacht, die sie nur verlieren konnten.
    Wie viele Shrouks es waren, wußte niemand zu sagen.
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