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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster
Autoren: Alfred Bekker
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Mann«, erklärte Anna knapp.
    »Und wer ist der Verrückte?«, fragte Haller.
    »Er heißt eigentlich Frank Schmitt, glaubt aber, er sei Branagorn der Elbenkrieger.«
    »Na, Gott sei Dank nicht Jack the Ripper.«
    »Das ist nicht witzig, Herr Haller.«
    »Ist er bei Ihnen in Behandlung?«
    »Ja.«
    Haller folgte Anna und versuchte, sie einzuholen.
    »Lassen Sie mich durch!«, rief sie dann mit einer Entschiedenheit, die man ihr auf den ersten Blick kaum zutraute, einer Polizistin entgegen, die sie davon abhalten wollte, sich weiter dem Krieger zu nähern, der sich noch immer den Griffen der Uniformierten zu entwinden versuchte und dabei wie ein Wahnsinniger schrie. Er artikulierte jetzt unverständliche Worte in einer fremden Sprache – aber vielleicht auch nur sinnlos aneinandergereihte Silben. Da war sich niemand unter den Anwesenden völlig im Klaren.
    »Branagorn, hören Sie auf damit«, rief Anna. »Was fällt Ihnen ein, mit dem Schwert auf jemanden einzuschlagen?«
    Der Angesprochene wirkte wie erstarrt, als er Anna sah. Im nächsten Moment gab er seinen Widerstand gegen die Beamten, die ihn festhielten, auf.
    Einer der Beamten holte Handschellen hervor.
    »Das wird nicht nötig sein«, versicherte Anna.
    »Das sah gerade aber etwas anders aus«, meinte der Beamte.
    »Ich kenne den Mann. Und Sie können mir glauben, dass ich die Situation kontrolliere. Lassen Sie ihn los. Er wird niemandem etwas tun.« Sie wandte sich an Willi Ternieden. »Bitte! Wenn Sie wollen, dass eine Eskalation vermieden wird, dann sollten Sie auf mich hören. Herr Schmitt ist mein Patient. Warum er ausgerechnet hier und jetzt seine Impulse nicht kontrollieren konnte, weiß ich nicht, aber dafür wird es einen Grund geben. Er ist nicht gefährlich.«
    Ternieden nickte schließlich und wandte sich an den Elbenkrieger. »Machen Sie keine Dummheiten«, forderte er.
    Branagorn alias Frank Schmitt wurde losgelassen und schien sich tatsächlich etwas beruhigt zu haben.
    »Ich weiß, wer die Frau getötet hat. Ich kenne den Boten des Todes.«
    »Immer der Reihe nach Herr … äh … Schmitt«, sagte Ternieden etwas unbeholfen.
    »Es ist der Traumhenker! Und Ihr lasst ihn unbehelligt davonlaufen.« Der Elbenkrieger streckte die Hand mit den dürren und sehr langen Fingern in die Richtung aus, in die der Pestarzt mit der Schnabelmaske verschwunden war. »Die Schritte des Todesboten sind noch deutlich zu hören, und Ihr folgt ihm nicht, obwohl es Eure Pflicht wäre, das Böse zu bekämpfen!«
    »Beruhigen Sie sich«, forderte Anna. »Sie kennen mich doch. Wir können über alles sprechen und werden auch sicherlich eine Lösung für Ihr Problem finden.«
    Er sah sie an. »Wie könnte ich Euer Gesicht vergessen, werte Cherenwen«, sagte der Elbenkrieger nun in einem sehr viel sanfteren Tonfall. »Aber Ihr irrt Euch, nicht ich habe ein Problem, sondern Ihr alle, denn der Traumhenker ist unter Euch. Der Tod-in-Gestalt. Der pure Wille zum Bösen und der Verderbtheit! Und er nimmt Besitz von Euch. Er kriecht in Eure Seelen, bis er eins ist mit einem von Euch und ihn zum Werkzeug des Verderbens macht, weil das seine Natur ist. Ich kenne ihn! Ich kenne diesen Todbringer und Seelenverderber!«
    »Wichtig ist, dass Sie jetzt ruhig werden, Branagorn«, sagte Anna und machte eine beschwichtigende Geste. Sie war ihm vor ein paar Monaten zum ersten Mal begegnet, als er auf dem Dach des Signal-Iduna-Hochhauses am Servatii-Platz in der Nähe des Hauptbahnhofs gestanden hatte, um sich in die Tiefe zu stürzen. Er leide vermutlich an einer Krankheit namens Lebensüberdruss, war die Diagnose gewesen, die er selbst später während ihres gemeinsamen Gesprächs gestellt hatte. Nicht gerade ein psychologisch anerkannter Fachterminus, aber in der Sache vollkommen zutreffend. Anna hatte ihn auch danach weiter therapeutisch begleitet. Nach einem stationären Aufenthalt in der westfälischen Landesklinik in Lengerich hatte sich sein Zustand sehr gebessert. Gebessert in dem Sinn, dass er in der Lage schien, sein tägliches Leben als Hartz-IV-Empfänger in einem betreuten Wohnprojekt in Münster-Kinderhaus zu bewältigen. Doch auch wenn nicht mehr von einer akuten Suizid-Gefahr auszugehen war, so war er noch lange nicht über den Berg, zumal Anna eine Reihe weiterer Symptome und Krankheitsbilder an ihm diagnostiziert hatte, die zum Teil nur schwer einzuordnen waren und ein äußerst komplexes Gesamtbild ergaben. Dass er sich einbildete, Branagorn von Elbara zu sein, ein
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