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Der Teufel vom Waiga-See

Der Teufel vom Waiga-See

Titel: Der Teufel vom Waiga-See
Autoren: Stefan Wolf
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klarkommt. Sowas knickt die
Antenne ab für Museen, Kirchen und Paläste. Ich wette, diese Thea macht sich
bald wieder auf die Socken.“
    „Wir brauchen eine ganze Menge
Glück“, nickte Glockner. „Und Zähigkeit.“ Tim lachte. „Ich werde mich auch
heute abend hier rumtreiben. Und morgen nach der dritten Stunde — da haben wir
nur noch... ja, da seile ich mich ab. Und bin wieder hier.“
    „Religion“, sagte Gaby. „Da
haben wir nur noch Religion, du unchristlicher Mensch.“
    „Bin ich nicht“, wehrte sich
Tim. „Aber die Fahndung geht vor.“

4. Dradiwaberl mit
Guckerschecken
     
    Die Nacht war lau. Thea, die
Ausreißerin, fand es aufregend, auf einer Parkbank zu schlafen.
    200 Meter entfernt stritten
zwei Penner über politische Probleme. Thea, die sich eine Bank hinter Büschen
gesucht hatte, fiel niemandem auf.
    Am Morgen schien die Sonne. Als
Thea blinzelnd die Augen öffnete, hatte die Großstadt längst ihren gewohnten
Rhythmus aufgenommen.
    Das Mädchen schulterte den
kleinen Rucksack und verließ den Park, dessen Namen sie nicht kannte. Sie
tippelte zum Hbf.
    Unterwegs sah sie sich eine
Kirche an.
    Ein Straßenmusikant geigte
ungarische Tänze, und Thea hörte ihm zu. Begeistert opferte sie eine Mark, was
den Künstler sicherlich freute, obwohl er nicht nicken konnte — wegen der
Geige, die er unters Kinn geklemmt hatte.
    Der Vormittag war fortgeschritten,
als Thea sich endlich frisch machte — vor demselben Spiegel wie gestern.
    Ich werde noch Stammgast,
dachte sie, hier in der Bahnhofs-Toilette.
    Wieder ein prüfender Blick. Wie
eine Rumtreiberin sah sie noch nicht aus.
    Es wurde Zeit fürs Frühstück.
    Am Stehausschank kaufte sie
sich Kaffee und Hörnchen.
    Auf dem Tisch lag eine
herrenlose Zeitung. Von heute. Noch ganz frisch — von irgendwem vergessen. Thea
nahm sich ihrer an.
    ÜBERFALL IM GRAND-HOTEL!
    Es stand auf der vierten Seite.
Eine Industriellen-Witwe Isabella S. war vom unbekannten Täter hinterrücks
betäubt worden. Gefesselt und geknebelt hatte er sie — und total ausgeraubt. In
Zimmer 406.
    Thea verschüttete ihren Kaffee.
Die Hände begannen zu zittern. Sie konnte das Hörnchen nicht mehr essen.

     
    Dieser... dieser Kerl! Tim — wahrscheinlich
stimmte der Name nicht. Unfaßlich! Also hatte er die Gelegenheit genutzt. Ein
Verbrecher!
    Mein Gott! dachte sie. Ich habe
wohl überhaupt keine Menschenkenntnis. Toll fand ich den Typ. Richtig nett.
Bärig. Einer, dem die Mädchen nachlaufen, der das aber bestimmt nicht ausnutzt.
Enttäuscht war ich, als ich hörte, daß er seine Freundin abholt. Lüge! Der ist
sofort ins Hotel und hat den Raub verübt. Die Polizei tappt im Dunkeln, aber
ich — ja, ich kann den Täter beschreiben.
    Sollte sie zur Polizei gehen?
    Unmöglich! Dort lag vielleicht
schon die Suchmeldung nach einer gewissen Thea von Durstilitsch, 14 Jahre, aus
Goschendorf am Waiga-See.
    Aber anrufen, überlegte sie,
das geht.
    Thea war von Menschen umgeben.
Auch am Vormittag rissen das Gedränge, Gehaste, die Geschäftigkeit nicht ab.
    Trotzdem — die Ausreißerin
spürte den Blick.
    Rasch hob sie den Kopf.
    Er stand etwa 100 Meter
entfernt und trug denselben Pullover wie gestern.
    Daß sich eine schmale, freie
Bahn ergab — auf diese Entfernung — , war einem Ladeschaffner zu verdanken, der
mit seinem Elektrokarren, vollgestapelt mit Koffern, hupend durch die Menge
fuhr.
    Hinter dem Fahrzeug schwappte
die Menge wieder zusammen wie eine klebrige Masse, und die Sicht reichte nicht
mehr weit. Aber Thea wußte: Dieser Tim — oder wie auch immer er heißen mochte —
hatte sie bemerkt.
    Der sucht mich!
    Es durchfuhr sie eiskalt.
    Panik ergriff sie. Sie begann
zu rennen.
    Gleis 14 lag vor ihr. Der
Inter-City hatte sich gefüllt, war abfahrbereit.
    Thea stürmte am Zug entlang,
sah sich um. Kam dieser Bursche ihr nach? Ausmachen konnte sie ihn nicht.
Zuviele Reisende tummelten sich hier, und Kofferkarren versperrten den
Fernblick.
    Ich muß runter vom Bahnsteig!
    Sie stieg in den Zug. Es war
ein Großraumwagen. Keine Fahrkarte. Was machte das? Nachlösen ging immer. Dort
ein freier Platz!
    Thea ließ sich nieder. Sie
setzte ihren City-Bag ab, seufzte, fühlte das Herzpumpern bis in den Hals und
spähte zum Fenster. Gewimmel auf dem Bahnsteig, aber kein hochgewachsener Typ
mit braunen Locken.
    Sie sah sich um. Wohin fuhr der
Zug eigentlich?
    Der Großraumwagen war nahezu
leer, wie sie feststellte. Nur ganz hinten, am Ende der Nichtraucher-Reihen,
saßen zwei alte
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