Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel vom Waiga-See

Der Teufel vom Waiga-See

Titel: Der Teufel vom Waiga-See
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
Tschüs!“
     
    *
     
    Der Zug war abgefahren. Gaby
hatte gewinkt. Tante Bettina rollte ihrer Kur entgegen.
    Gaby wollte sich umwenden,
spürte eine Bewegung hinter sich, und im selben Moment hielten ihr zwei
kräftige Hände die Augen zu.
    „Tim, du...“

    Aber das war nicht Tim.
    Die Finger rochen nach
Knoblauch.
    Schreck durchfuhr Gaby.
    Doch bevor sie sich losreißen
konnte, fielen die Hände von ihr ab.
    Gaby hörte einen glucksenden
Laut — und dann einen Aufprall, als wäre ein Flugkoffer herabgestürzt aus der Kuppel
der Halle.
    „Wenn du meine Freundin nochmal
anfaßt“, sagte Tim durch die Zähne, „breche ich dir fünf bis sechs Knochen,
wichtige.“
    Hinter Gaby saß ein Typ auf dem
Zementboden, etwa 17jährig, mit riechbarer Bierfahne, krebsrotem Gesicht und
aufgerissenem Mund, in dem aber der Schmerzensschrei stecken blieb.
    „War... war doch“, stammelte
der Typ, „nur ein Scherz. Ich dachte... dachte, es wäre meine Freundin.“
    „Hugo!“ schrillte eine
weibliche Stimme, und das dazugehörige Wesen hüpfte auf dem Bahnsteig von Gleis
32 herum.
    „Hugo, was ist?“ plärrte sie
herüber. „Bist du gestürzt?“
    „Deine Freundin?“ feixte Tim.
„Klar, die ist leicht zu verwechseln.“
    Das Mädchen drüben war einen
Kopf größer als Gaby, trug eine zentimeterlange, blauschwarze Stoppelfrisur und
tief im Nacken ein Pferdeschwänzchen, pinkfarben. Dazu ein Gesicht voller
Kriegsbemalung und schwarze Klamotten, von Kopf bis Fuß.
    Tim nahm Gabys Hand. Lachend
zogen sie ab.
    „Du, der hat Knoblauch-Finger.“
Gaby schüttelte sich. „Beschwipst ist er. Und das am frühen Nachmittag.“
    „Was dem einfällt! Man hält
fremden Leuten nicht von hinten die Augen zu.“
    „Vermutlich ist das seine
Anmache.“
    „Igitt! Am liebsten würde ich
mir das Gesicht waschen.“
    „Kannst du im Grand-Hotel.
Tante Isa hat bestimmt nichts dagegen, wenn du ihr Waschbecken benutzt.“
    Er legte den Arm um Gaby.
    Mit der linken Hand holte er
den Zimmerschlüssel aus der Hosentasche.
    „Der ist mir zugeflogen, und
ich habe die Ausreißerin Thea kennengelernt. Sie...“
    Er berichtete. Gaby sah sich den
Schlüssel an und fand es unverantwortlich mies, sich seiner — bei
Vergeßlichkeit — auf diese Weise zu entledigen.
    „Wenn er so in falsche Hände
kommt, Tim, könnte ein Dieb ins Grand-Hotel reinspazieren und Zimmer 406
leerräumen.“
    „Sobald er den Fernsehapparat
rausträgt, fällt es auf.“
    „Aber nicht, wenn der Dieb
fremdes Geld und fremden Schmuck in der Tasche hat.“
    „Richtig. Und noch eine
Möglichkeit: Der Finder des Schlüssels könnte in 406 übernachten, ohne daß das
Hotel davon weiß.“
    „Unerhört jedenfalls“, lachte
Gaby, „den Schlüssel nicht abzugeben.“
     
    *
     
    Die Hotelhalle war größer als
zwei Tennisplätze, und die Höhe hätte für jeden Lob (hoch geschlagener Ball )
ausgereicht. Die kostbaren Teppiche waren fast zu schade zum Drauftreten. Auf
allen Sesseln saßen Leute. Überwiegend waren das schöne, blonde Frauen mit viel
Schmuck und teurem Outfit. Die schönen, blonden Männer waren nicht so zahlreich
vertreten wie die älteren, dünn- oder kahlhaarigen Herren, denen der Hosenbund
und der mittlere Jackenknopf spannte — trotz Maßanfertigung.
    Hinten, wo der Durchgang zur
Bar war, klimperte ein Pianist Nummer 27 von den 81 Stücken Salon-Musik, die er
fehlerlos beherrschte. Lautlose Kellner servierten Kaffee, winzige Sandwiches —
die kaum das Zubeißen lohnten, und glasweise Champagner.
    „Hier finde ich’s toll“,
flüsterte Gaby.
    Tim zog sie zum
Portiers-Tresen, wo vier Herren in dunklen Anzügen ihres Dienstes walteten.
Sieben Telefone standen zur Verfügung, um die Wünsche der Gäste zu erfüllen.
    Für ein gekröntes Haupt oder einen
Öl-Scheich hielt man Tim sicherlich nicht. Trotzdem war das Lächeln freundlich.
    „...ich bin mit meiner Tante
verabredet, mit Frau Isabella Scheidlitz.“
    „Die gnädige Frau“, sagte der
jüngste der vier Portiers — der dem Akzent nach Franzose war, „hat Zimmer…“,
blitzschnell überflog er eine Liste, wobei sich nur die Augen bewegten.
    Tim zog den Fundschlüssel aus
der Tasche.
    „...ah, 406“, sagte der
Portier.
    „Ja“, nickte Tim. „Schon
vermißt, ja?“
    „Wie bitte?“
    „Ich meine, ob Sie den
Schlüssel schon vermißt haben?“ Tim legte 406 auf den Tresen. „Der Gast, der
dort wohnte und jetzt abgereist ist, hat ihn versehentlich mitgenommen und
absichtlich in einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher