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Der Tanz Der Klingen

Der Tanz Der Klingen

Titel: Der Tanz Der Klingen
Autoren: Dave Duncan
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Selbstmitleid geschwelgt, weil er um den Schlaf einer halben Nacht gebracht worden war. Wie viel schlimmer musste das Erwachen an jenem Morgen für Raunzer gewesen sein, der vom Stellvertretenden Befehlshaber wachgerüttelt worden war! Er musste sofort gewusst haben, dass sein Aufenthalt in Eisenburg damit ebenso zu Ende war wie die Zeit des Erwachsenwerdens. Ringwald durfte noch hoffen, dass er nicht benötigt würde, doch beide Jungen hatten sich durchaus begründet auf ein weiteres Jahr der Sicherheit und des Unterrichts gefreut, um persönlich und körperlich zu reifen und die tödlichen Fähigkeiten zu vervollkommnen, die sie als Klingen brauchen würden. All das stand ihnen zu, und Großmeister hatte sie im Stich gelassen.
Dann wurde ihm klar, dass Tancreds Bemerkung eigentlich eine Frage über Anwärter Glockmann gewesen war, der ihn nun wirklich nichts anging. Glockmann war ein anderes Problem, doch dieses Ungemach stand in keinerlei Zusammenhang mit ihm.
»Gutsieg ist nicht aufgewacht?«, fragte Großmeister.
»Als ich ging, hat er noch geschnarcht.«
Nach einer Weile brach Fürst Rolands Zorn erneut durch.
»Sagt, Stellvertreter, wurde Anführer bei dieser Vollmacht nicht um Rat gefragt? Hat er Seine Majestät nicht daran erinnert, dass in Eisenburg derzeit keine Anwärter zur Bindung bereit sind?«
Tancred wand sich und mied den Blick seines Gegenübers. »Ich bin sicher, das hat er, denn ich wurde losgeschickt, um Euren jüngsten Bericht über die Anwärter zu holen. Was Ihr über Raunzer geschrieben habt…«
»Ich weiß, was ich über Raunzer geschrieben habe! Noch bin ich nicht ganz verkalkt, vielen Dank.« Ich habe Anwärter Raunzer zu den Altgedienten befördert. Er ist körperlich reif und zeigt vielversprechende Ansätze mit schwereren Waffen. Seine Reitkünste sind überdurchschnittlich. Nichts über seinen Umgang mit dem Rapier oder seine gesellschaftlichen Fähigkeiten, die nicht vorhanden waren. Auch nichts über seinen Verstand. »Hat Seine Majestät denn noch nie davon gehört, dass fadenscheiniges Lob in Wahrheit eine schlechte Beurteilung ist? Hat Anführer ihn nicht darauf hingewiesen, dass in der Klasse der Altgedienten noch ein Dutzend Jungen vor Raunzer waren und er noch ein volles Jahr der Ausbildung vor sich hatte, als ich diese Zeilen schrieb? Hat er ihm nicht erklärt, dass es wesentlich mehr als überragender Fechtkunst bedarf, um eine Klinge zu sein?« Taktisches Denken? Politischer Durchblick? Zusammenarbeit mit anderen? »Anführer muss doch gewusst haben, was meine Worte über Raunzer durchklingen ließen: Dass ihm ein Schicksal als unscheinbares Gesicht in den Rängen vorherbestimmt ist, als Befehlsempfänger, nicht als Anführer einer privaten Garde, von dem erwartet wird, dass er Entscheidungen trifft und die Treue seiner Untergebenen erringt!«
»Ich war nicht anwesend, als Anführer Seine Majestät beraten hat«, erklärte Tancred kurz angebunden. »Meine Meinung wurde nicht eingeholt.«
»Und freiwillig habt Ihr sie wohl auch nicht kundgetan, vermute ich!«, herrschte Großmeister ihn an.
Ein guter Befehlshaber musste seinem König manchmal widersprechen. In der langen Geschichte der Klinge hatte es Fälle gegeben, in denen der Herrscher von der Garde regelrecht entführt worden war, um ihn in Sicherheit zu bringen. Als Großmeister noch Befehlshaber Durendal gewesen war, hatte er mit König Ambrose einige hitzige Wortgefechte ausgetragen. Auch Sir Ungestüm hatte Athelgar die Stirn geboten, wenn es sein musste. Womöglich hatte der König deshalb einen Jasager zu dessen Nachfolger erkoren. Nein, das war ein zu hartes Urteil über Florian. Mit der Zeit würde er noch dazulernen, aber bis dahin würden vielleicht andere für seine Lektionen bezahlen.
Raunzers Zulassung zur Schule war eine knappe Angelegenheit gewesen. Großmeister hatte einen Fehler begangen, indem er ihn aufnahm. Der Zufall hatte einen kleinen Irrtum in eine große Katastrophe verwandelt.
Wieder klopfte es – unnötig heftig – an die Tür.
»Herein!« Großmeister drehte sich um und zwang sich, zwei verängstigte Antlitze mit einem Lächeln zu begrüßen. »Guten Tag, meine Herren. Ich vermute, ihr ahnt den Grund für dieses unerwartete Treffen.«
Der traditionelle Wortlaut war: Seine Majestät braucht eine Klinge. Seid ihr bereit zu dienen? Und nur eine Antwort war zulässig.
Raunzers schlichte, störrische Züge waren von der Sommersonne gerötet, die sein sonst rotblondes Haar flachsfarben gebleicht
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