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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege
Autoren: Beatrix Gurian
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Ein Schiff fährt vorbei, es liegt sehr tief im Wasser, an Bord flattern fröhlich ein paar bunte Wäschelaken auf einer Leine im Wind. Nach einer Weile schiebt sich ein zweites Schiff vorbei, es wirkt schmutzig und hat einen großen Haufen rostigen Eisens geladen. Ein paar Möwen kreisen kreischend über dem Main und ich schaue ihnen zu.
    Es kommt mir vor, als würde ich schon eine Stunde warten, aber die Uhr in meinem Handy sagt mir, dass es erst fünfzehn Minuten sind.
    Wenn ich doch damals nur gegangen wäre. Warum habe ich auf ihn gewartet? Völlig ahnungslos, vertrauensselig…
    Kaum habe ich das Handy wieder in der Tasche verstaut, vibriert es. Es ist Diego.
    Er klingt atemlos. »Tut mir leid, ich bin in fünf Minuten da, wir mussten die Kollegen von der Autobahn verstärken, Riesenunfall auf der A5.« Im Hintergrund höre ich Polizeisirenen und mein Groll schmilzt dahin.
    Ich muss ihm versprechen zu warten. Nachdem wir aufgelegt haben, lehne ich mich zurück und schaue wieder auf den Main und halte nach Schiffen Ausschau. Ein paar Ruderboote arbeiten sich vorbei. Vierer und Achter. Nach weiteren zwanzig Minuten schicke ich Ellen eine Nachricht über Facebook, weil ich wissen will, ob sie auch findet, dass ich gehen sollte, aber sie ist – logo – nicht online. Seit sie mit Max zusammen ist, hängt sie eigentlich nur noch selten bei Facebook rum. Auch sonst ist nix los auf Facebook.
    Jetzt warte ich fast eine Dreiviertelstunde und habe die Nase gestrichen voll. Mir reicht es.
    Ich stehe auf und stiefele los. Ärgere mich über mich selbst, diese ganze Aufregung für nichts und wieder nichts.
    »Lu!«, ruft mich da jemand. »Lu, du hast versprochen zu warten!«
    Ich drehe mich um, aber eigentlich habe ich keine Lust mehr, wenn das schon so mies anfängt.
    Diego sprintet mir entgegen, in der Hand einen albernen rosametallic schimmernden Herzluftballon, aus seinen Haaren tropft Wasser auf sein hellgrünes Poloshirt.
    »Entschuldige«, keucht er, »ich wollte mich noch duschen und umziehen, muss nicht gleich jeder sehen, dass du mit einem Polizisten verabredet bist, oder?« Er reicht mir den Ballon, aber ich nehme ihn nicht. »Tut mir echt leid. Verzeihst du mir?«
    Das klingt merkwürdig altmodisch, aber zusammen mit dem Blick, den er mir zuwirft, torpediert er damit all meine Schutzmauern und dringt bis in die empfindliche Herzzone vor.
    Türkisblau, seine Augen erinnern mich an Sardinien, da waren wir mal an einem Strand, wo das Meer genauso wunderschön türkisfarben geschimmert hat. Ich erinnere mich deshalb so gut, weil ich dort in eine riesige Glasscherbe getreten bin und sich das türkisfarbene Wasser unter mir schon rot verfärbt hat, noch bevor ich den Schmerz gespürt habe.
    »Stimmt was nicht?«, fragt Diego und kommt besorgt näher. Er riecht gut, nach einem Mix aus Zitronengras und Lakritze.
    »Bist du wirklich so sauer? In meinem Job kann das leider immer passieren, das muss ich dir gleich sagen.«
    »Nein. Ist schon okay.« Ich komme mir dumm vor, immerhin hat er mich angerufen, um Bescheid zu geben, und er wirkt tatsächlich abgehetzt.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragt er und grinst mich ein bisschen zu breit und doch irgendwie vertraut an, als würden wir uns schon hundert Jahre kennen.
    »Spazieren gehen, oder?« Mein Gott, wie spießig ist das denn, hätte ich nicht etwas Cooleres sagen können?
    »Okay! Das Ding hier gefällt dir nicht wirklich, oder?«, fragt er und zeigt auf den Ballon. »War das Beste, was ich auf die Schnelle kriegen konnte. Na egal!« Noch bevor ich antworten kann, lässt er den Ballon los.
    Nach einer Schrecksekunde renne ich ihm hinterher, aber der Ballon steigt leicht und schillernd wie eine Seifenblase hoch in die Luft und wird vom Wind davongetragen.
    »Oh, wie schade!« Ich bleibe stehen. Diego ist hinter mir hergerannt und stoppt dicht neben mir. Seine Brust hebt und senkt sich unter dem Poloshirt und lenkt meinen Blick auf den toptrainierten Bauch, was mich schuldbewusst an meine weiche Kugelwampe denken lässt und daran, dass ich ein bisschen Begeisterung für sein Geschenk hätte zeigen können. Nicht, dass er glaubt, ich wäre eine Zicke. Doch bevor ich das sagen kann, fängt er schon an.
    »Nein, Lu, du hast ja recht, ehrlich, der Ballon war nicht außergewöhnlich genug. Nicht für jemanden wie dich!« Normalerweise kann ich nicht gut mit Komplimenten umgehen, schon gar nicht von so jemandem wie ihm, aber er grinst mich wieder so entwaffnend an, dass
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