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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege
Autoren: Beatrix Gurian
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ihm klar, dass sie sehr wohl wisse, dass die Meeresmuschel nicht von ihm oder von irgendjemand anderem in dem Nest einer Schwalbe gefunden worden sei. Der dritte junge Mann konnte nichts sagen, denn seine Täuschung war entdeckt. Er verneigte sich vor der Bambusprinzessin und dankte ihr für ihr Verständnis, dass er wirklich gewünscht hatte, um sie zu freien, und verließ das Haus auf Nimmerwiedersehen.
    Als der dritte junge Mann gegangen war, sagten die beiden Alten zu ihrer Tochter: »Liebe, was können wir jetzt tun? Volle sechs Monate haben wir nach drei jungen Männern gesucht, die passend erschienen, um dich zu freien. Und jedem hast du eine Aufgabe gegeben, die er nicht ausführen konnte oder wollte. Wer wird für dich sorgen, wenn wir von dem großen Gott Buddha abberufen werden und selber nicht mehr für dich sorgen können?«
    Die Bambusprinzessin saß vor ihnen mit gefalteten Händen und antwortete ihnen nicht. Da fragten sie abermals. Und wieder gab das schöne Mädchen, das auf solch eine wunderbare Weise in ihre Obhut gegeben worden war, keine Antwort. Und nochmals, zum dritten Male, fragten sie, was sie tun sollten. Da hob sie den Kopf und antwortete ihnen: »Liebe Eltern, ich kann euch dies und nur dies sagen: Noch ein Bewerber wird kommen und versuchen, um mich zu freien. Ich werde ihn nicht annehmen, wie ich auch jene drei jungen Männer nicht angenommen habe, die ihr für mich aussuchtet. Danach muss ich dorthin zurückkehren, wo meine wahre Heimat ist.«
    »Wo ist das?«, fragten sie. »Diese Heimat hier am Orte, wo die Bambusbüsche wachsen, ist ganz gewiss deine Heimat.«
    »Meine irdische Heimat wohl, aber nicht meine wahre Heimat.«
    So warteten die beiden Alten auf den vierten jungen Mann. Sie versuchten nicht, diesen jungen Mann in der Stadt zu finden. Sie wussten nicht, wer es sein könnte.
    Binnen weniger Wochen kam er den Strom herauf und machte den beiden Alten und ihrer Tochter seine Aufwartung.
    Der Bambusschneider und seine Frau waren verwirrt und hocherfreut, als sie erfuhren, dass dieser vierte junge Mann kein anderer war als der Erbe des kaiserlichen Throns. Er war der älteste Sohn des Kaisers von Japan.
    Ihm stellte die Bambusprinzessin keine Aufgabe. Sie verlangte nicht von ihm, dass er nach einer seltenen Gabe suche. Sie verlangte nicht von ihm, dass er viele Meilen weit reise und um ihretwillen suche, was nicht gefunden werden konnte. Sie bat ihn nicht, etwas zu tun, was ihn in Versuchung führen konnte, sie zu täuschen. Sie verneigte sich einfach vor ihm und dankte ihm, dass er den Wunsch habe, um sie zu freien.
    Der Erbe des kaiserlichen Thrones bat sie, ihm zu sagen, auf welche Weise er um sie freien könne. »Nehmt«, sagte sie, »diese geschriebene Erklärung! Verbrennt sie! Lest sie! Tut mit ihr, was Ihr wollt! Aber ich kann Euch, sogar Euch, nicht erlauben, um mich anzuhalten.«
    So nahm der Prinz von ihrer Hand eine Schriftenrolle von Reispapier, die mit schön geformten, mit einem Pinsel in schwarzer Tusche gemalten Schriftzügen bedeckt war. Er las die Erklärung. Er verneigte sich vor der Bambusprinzessin und mit sehr trauriger Miene verließ er das Haus auf Nimmerwiedersehen.
    An jenem Abend nun sagte die Bambusprinzessin zu den beiden Alten: »Jetzt kann ich mich euch erklären, ihr Lieben. Ich bin die Tochter des Mondes. Ich war auf die Erde verbannt wegen des Unrechts, das ich getan hatte. Ich war selbstsüchtig. Ich war hart und grausam. Ich hatte alle die Schwächen, die der Tochter des Mondes nicht anstehen. So machte mein Vater, der Mond, mich sehr klein und gering und versteckte mich zur Strafe im Schaft eines Bambusrohrs. Es war mein großes Glück, dass ihr, mein Bambusschneider-Vater, mich gefunden habt und dass ihr, meine edle Mutter, für mich sorgtet. Mein wirklicher Vater, der Mond, sorgte ebenfalls für mich: Denn er war’s, der euch jene goldenen Münzen schickte, mit deren Hilfe ihr mich genährt und gekleidet habt. Er wird nicht vergessen, dass ihr die Münzen für mich verwendet habt und nie für euch selber. – Aber die Zeit ist für mich gekommen heimzukehren. Auf Erden habe ich durch euch gelernt, nicht selbstsüchtig zu sein, nicht roh und grausam zu sein. Ich habe bei diesem Bambuswäldchen gelernt, all die Eigenschaften zu erringen, die jener ziemen, die ihr die Bambusprinzessin nennt, die aber tatsächlich die Tochter des Mondes ist. Ich habe gelernt. Ich bin bescheiden geworden. Ich bin euch dankbar.«
    Die beiden Alten fanden keine
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