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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm
Autoren: Krystyna Kuhn
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dort nun mit roter Schrift zu lesen war: EXITUS.
    »Echt gut. Nur schade, dass die Spießer von der Verwaltung das vermutlich sofort entfernen lassen, sobald sie zurückkommen. Mann, warum bin ich nicht auf die Idee gekommen?« Benjamin lachte erneut auf.
    Chris hörte nicht recht hin. Warum meldete sich denn keiner? Seine Hand lag schon auf dem Türdrücker, als er ein Knacken aus der Sprechanlage hörte.
    »Machen Sie endlich die Schranke auf!«
    Und eine Antwort: »Wer spricht?«
    »Christopher Bishop.«
    »He, Bishop, ich dachte, Sie wären schon lange weg!«
    »Öffnen Sie die Schranke!«
    Gott, dieser ätzende Akzent! Und dieses überhebliche Lachen! Das war doch dieser Steve, oder?
    »Gerade noch Glück gehabt, bevor wir hier oben alles dichtmachen.«
    Langsam hob sich der Schlagbaum. Chris schloss das Fenster und hörte noch, wie jemand am anderen Ende sagte: »Und grüßen Sie Julia. Sagen Sie ihr, sie soll an mich denken, wenn...«
    »Idiot«, knurrte Chris und trat aufs Gas. Der Wagen schoss nach vorne.

    Bis zum Pass war es noch ein Stück. Die Scheibenwischer waren auf höchste Stufe gestellt und doch schafften sie es kaum, die Scheibe frei zu halten. Die Temperatur fiel, je höher sie kamen, und Chris’ ganze Konzentration war gefordert, damit der Wagen nicht aus den Serpentinen schleuderte. Obwohl er inzwischen nicht schneller als fünfzig Stundenkilometer fuhr, schien der Wagen die Straße entlangzurasen.
    Und zum ersten Mal dachte Chris daran, dass der Sturm sie doch noch hier oben erwischen konnte. Die Straße war übersät von kleinen Ästen und Zweigen, die der Wind von den Bäumen gefegt hatte. Es fehlte nur noch, dass ein umgestürzter Stamm ihnen den Weg versperrte. Schon einmal, im Frühjahr, war das passiert und das College war zwei Tage von der Außenwelt abgeschnitten gewesen.
    Und das Schlimmste war: Chris begann langsam, daran zu zweifeln, ob es aufhören würde zu schneien, wenn sie den Pass hinter sich hatten. Was bedeutete, dass sie noch mehr Zeit verlieren würden.
    Kostbare Zeit für Julia und ihn allein.
    Die Scheinwerfer drangen nicht einmal fünf Meter durch die trübe Dämmerung. In ihrem Licht konnte man lediglich den Wirbel der Schneeflocken sehen, die auf die Windschutzscheibe trafen. In rasender Geschwindigkeit, unaufhörlich, ein Strudel aus weißen Kristallen, der jeden in seinen Bann zog, der zu lange hinsah.
    Eine Schneise im Wald tauchte auf und sie passierten eine kleine Brücke. Das Auto wurde wieder von einer Windböe getroffen und Chris musste das Lenkrad fest umklammern, damit es nicht ausbrach.
    Im Wagen herrschte tiefes Schweigen. Hatte er selbst das Radio abgedreht oder war es Julia gewesen?
    Warum, verdammt noch mal, konnte nicht irgendeiner etwas sagen? Irgendetwas, um diese Stille zu durchbrechen. Ein einziges Wort würde genügen, um dieser seltsamen Stimmung ein Ende zu bereiten, die vom Schneetreiben, dem Pfeifen des Windes, dem Knarren der Bäume und dem Quietschen der Wischblätter beherrscht wurde.
    Endlich! Da vorne war der Pass. Die Scheinwerfer trafen das Schild White Escape. Der Motor dröhnte, als Chris Vollgas gab, und dann hatten sie das Ende der Steigung erreicht. Danach ging es bergab. Ein Aufatmen ging durch den Wagen.
    »Wir haben es geschafft«, sagte Chris. Er beschleunigte.
    »Noch sind wir nicht unten«, erwiderte Rose ängstlich. Rose war an der Ostküste aufgewachsen und so etwas wie einen Schneesturm in den Bergen kannte sie allenfalls aus den Fernsehnachrichten. Aber Chris musste zugeben, selbst er war noch nie bei so schlechtem Wetter unterwegs gewesen.
    »Sag mal, Julia, wann hast du eigentlich zum letzten Mal deine Mails gecheckt?« Debbies Stimme hatte wieder einmal diesen lauernden Unterton, der einen zur Raserei bringen konnte.«
    »Warum? Hast du mir eine geschickt?«, gab Julia irritiert zurück.
    »Ich, nein, warum sollte ich dir mailen...« Debbie lachte schrill. »Wir wohnen ja schließlich zusammen Ich wollte nur wissen, ob Brandon uns vielleicht schon die neue Literaturliste geschickt hat...ach ja, und kennt ihr eigentlich schon diesen neuen Wachmann?«
    »Welchen?«, fragte Rose.
    »So um die fünfzig. Liebes Gesicht.«
    »Ted Baker?«, fragte Julia erstaunt. »Liebes Gesicht?« Sie lachte. »Also, ich weiß nicht, er hat ziemlich nach Alkohol gestunken. Was ist mit ihm?«
    »Er...«
    »Was denn?«, unterbrach sie Ben. »Wollte er dir an die Wäsche? Trägst du überhaupt Wäsche, Debbie?«
    »Du bist so gemein.«
    Mein
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