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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm
Autoren: Krystyna Kuhn
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Gott, dieses Mädchen gehörte wirklich auf die Couch eines Psychiaters, dachte Chris. Und nicht auf die Rückbank meines Autos. Wieder gab er Gas.
    »Chris! Da vorn!«
    Julias Aufschrei war so laut, dass Chris ihr instinktiv den Kopf zuwandte. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie starrte geradeaus.
    Was zum Teufel...
    Und dann sah er es auch. Weit voraus tauchte ein Schatten zwischen den Bäumen auf. Vielleicht hundert Meter entfernt.
    Achtzig?
    Siebzig?
    Der Van raste direkt darauf zu.
    Was immer sich da vorne mitten auf der Fahrbahn befand, es rührte sich nicht von der Stelle. Oder doch? Chris konnte es in diesem Drecksschnee nicht genau erkennen.
    »Fahr langsamer!«, schrie nun auch Rose.
    Wieder trat Chris auf die Bremsen.
    Doch der Wagen fand im Schnee keinen Halt.
    Chris trat fest durch, aber... Fuck! Keine Reaktion. Der Van wurde nicht langsamer. Die Reifen rutschten über die verschneite Straße. Seine schwitzenden Hände umklammerten das Lenkrad.
    Die Augen starr auf die Straße gerichtet, versuchte er, das Tempo zu drosseln, doch der Wagen geriet kurz ins Schleudern und schlitterte die Serpentine hinunter.
    Er bekam das Auto nicht unter Kontrolle! Die Straße hatte hier ein Gefälle von über zwölf Prozent und der Wagen gewann immer mehr an Geschwindigkeit. Wie konnte er den Van nur zum Stehen bringen, wenn die Bremsen nicht griffen? Er versuchte es mit Gegensteuern, doch die Reifen kreischten auf und der Wagen schaukelte gefährlich.
    Sein Magen zog sich zusammen, als er Julia seinen Namen rufen hörte. »Chris!«
    Und das Gefühl der Bedrohung verstärkte sich. Chris hatte Angst. Richtig Angst. Und das kam so gut wie nie vor. Er ließ es einfach nicht zu. Wenn Debbie nur aufhören würde, zu schluchzen und ihn anzuschreien: »Bremse doch, Chris! Bremse!«
    Als ob das viel nutzen würde, wenn die Räder durchdrehten!
    Der Rückwärtsgang!
    Leg den Rückwärtsgang ein!
    Er trat auf die Kupplung und riss den Schaltknüppel nach hinten. Der Wagen ging für einen kurzen Moment nach oben, um dann weiterzurollen.
    Wie gefährlich die Lage war, wurde ihm spätestens jetzt klar, als er Benjamin brüllen hörte: »Mann, zieh die Handbremse, du Idiot!«
    Mit aller Kraft riss er an der Handbremse. Die Reifen drehten durch, der Wagen geriet ins Schleudern und drehte sich einmal um die eigene Achse. Und dann sah Chris die Bäume auf sich zukommen.
    Im Moment des Aufpralls sah er den Schatten, der im Wald verschwand, als hätte der nächste Windstoß ihn einfach von der Straße gefegt.

6. Kapitel
    C hris wurde zuerst nach vorne, dann zurückgeschleudert. Das alles war so unwirklich, als sähe er sich von irgendwo dort oben zu.
    Und dann herrschte Stille im Wagen bis auf das knatternde Geräusch des Motors. Und immer wieder knallte der Wind gegen die Wagentüren.
    Ein paar wenige Sekunden lang saß Chris wie erstarrt da. Wie hatte das passieren können? Noch nie hatte er die Kontrolle über ein Auto verloren. Er spürte, wie sein Körper die Angst ausschwitzte. Ihm war schwindelig oder waren es nur die hohen Bäume, die über ihm hin und her schwankten? Fast schien es so, als ob sie sich über ihn lustig machen wollten. Dazu das Quietschen der hektisch hin und her wedelnden Scheibenwischer. Und von allen Seiten flogen Millionen, ja Milliarden von Schneeflocken auf ihn zu – wie Ungeziefer. Er hätte am liebsten um sich geschlagen und erst Bens Stimme riss ihn aus diesen absurden Gedanken.
    »Riecht ihr das auch?«
    Im nächsten Augenblick begriff Chris.
    Benzin.
    Es roch nach Benzin.
    Und dann sah er den Rauch, der aus der Motorhaube quoll und sich mit dem Schnee vermischte, der vom Himmel fiel und augenblicklich in der glühenden Hitze der Motorhaube schmolz.
    Raus.
    Sie mussten so schnell wie möglich raus. Sein Blick ging zur Seite, wo Julia leichenblass dasaß und sich nicht regte. Gott sei Dank schien ihr nichts passiert zu sein, zumindest konnte Chris keine Verletzung erkennen.
    »Mach die Tür auf und spring!«, schrie er. »Spring einfach, Julia!«
    Und als handele es sich um eine Szene aus irgendeinem Horror-Fantasy-Manga, schlugen plötzlich Flammen vorne aus der Motorhaube.
    Chris hielt Julias Finger fest umklammert, während er mit der linken Hand die Tür aufstieß. Eiskalte Luft drang in das Wageninnere. Dicke weiße Flocken schlugen ihm ins Gesicht.
    Er zog Julia mit sich. Sie blieb am Lenkrad hängen, doch er kannte kein Erbarmen. »Raus hier! Sofort!«
    Sie ließ sich ohne Widerspruch über
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