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Der Stundenzaehler

Der Stundenzaehler

Titel: Der Stundenzaehler
Autoren: Mitch Albom
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Himmel leuchtete orange und violett und feuerrot.
    Dor legte sich zu seiner Frau.
    Einst hätte er ihre schweren Atemzüge gezählt. Nun lauschte er ihnen einfach und nahm die Töne in sich auf. Er sah sich alles genau an und bewahrte es in seinem Herzen.
    Seine Hand sank nach unten, und er merkte, dass er unwillkürlich etwas in den Sand zeichnete, das oben und unten breiter und in der Mitte schmal war. Was sollte das bedeuten?
    Ein Wind kam auf und verwehte die Zeichnung im Sand.
    Vater Zeit ergriff die Hand seiner Frau und spürte die starke Verbindung, die er nur mit ihr je erlebt hatte. Er ließ sich hineinsinken in dieses Gefühl und spürte, wie die letzten Tropfen ihrer beider Leben ineinanderflossen, Tropfsteinen in einer Höhle gleich, die eins werden. Oben und unten, Himmel und Erde vereint.
    Als sich die Augen von Dor und Alli schlossen, öffnete sich ein neues Augenpaar, und die beiden erhoben sich in die Lüfte als vereinte Seele, hoch und höher, eine Sonne und ein Mond an einem einzigen Himmel.

Epilog

80
    Sarah Lemon wurde vom Notarzt ins Krankenhaus eingeliefert.
    Dort blieb sie über Nacht. Ihre Lunge wurde entgiftet.
    Als ihr Kopf nicht mehr dröhnte, sagte sie sich, was für ein Glück sie doch gehabt hatte, dass ihr Handy dieses laute Heavy- Metal-Riff – eingestellt von Ethan – von sich gegeben hatte, als Lorraine anrief, um ihrer Tochter ein frohes neues Jahr zu wünschen.
    Der Lärm hatte Sarah aus der beginnenden Ohnmacht gerissen, und sie hatte die Garage mit der Fernbedienung geöffnet, die Autotür aufgestoßen und war hinausgestürzt. Dann kroch sie hustend und würgend über den Betonboden, bis sie im Freien war.
    Dort brach sie zusammen.
    Ein Nachbar entdeckte sie im Schnee und rief einen Krankenwagen.
    Um Mitternacht, als alle Uhren zwölf schlugen und die Menschen freudig aufschrien, wurde Sarah in die Notaufnahme eingeliefert.
    Auf einer Trage neben ihr lag ein Mann namens Victor Delamonte.
    Er war wenige Momente zuvor eingeliefert worden, mit Niereninsuffizienz aufgrund einer Krebserkrankung. Offenbar hatte er keine Dialyse mehr gehabt, und er bekam sofort eine Bluttransfusion, obwohl der Mann, der ihn hergebracht hatte, nur sagte, der Patient habe über Unterleibsschmerzen geklagt.
    Es trat niemals zutage, wie Victor seine Pläne geändert hatte.
    Als er hochgehoben wurde, um ins Eis gelegt zu werden, schlug er die Augen auf und erblickte Roger. In dem geflüsterten Gespräch früher am Abend hatte Victor eine spezielle Instruktion gegeben: Für den Fall, dass er seine Entscheidung rückgängig machen wolle, würde er ein einziges Wort sagen. Dann solle Roger das Einfrieren verhindern.
    Haben Sie verstanden? Sie dürfen auf keinen Fall zögern, wenn es dazu kommen sollte.
    Ich habe verstanden.
    Und so war es gekommen.
    Victor sprach ein einziges Wort.
    Als Roger es hörte, schrie er: »Stopp, sofort aufhören!« Er zwang den Gerichtsmediziner und den Arzt beiseitezutreten und rief einen Krankenwagen. Roger befolgte die Anweisungen seines Chefs präzise, wie er es immer tat.
    Denn er hatte das Wort ganz deutlich vernommen.
    Es lautete: »Grace.«

81
    Dies ist eine Geschichte über die Bedeutung von Zeit.
    Sie beginnt vor Jahrtausenden, aber sie endet in der Jetztzeit, in einem Ballsaal voller Menschen, in dem eine angesehene Forschungsärztin mit Applaus vom Publikum geehrt wird. Sie bedankt sich bei ihren Kollegen und spricht von einem »Team-Erfolg«. Doch der Mann, der sie vorstellt, verkündet, dass Dr. Sarah Lemon ein Mittel gegen die gefürchtetste Krankheit unserer Zeit gefunden hat; es wird Millionen von Menschen das Leben retten und damit die Welt für immer verändern.
    Â»Wir danken Ihnen«, sagt der Mann.
    Dr. Sarah Lemon senkt den Kopf, winkt scheu. Sie dankt ihren Lehrern und Forschungspartnern und ihrer Mutter, die im Publikum steht und lächelt. Dann erklärt Sarah, dass ihre Arbeit niemals möglich gewesen wäre ohne die Unterstützung eines Mannes namens Victor Delamonte, der in seinem Testament – einem Dokument, in dem er massive Änderungen vornahm, kurz bevor er an jener Krankheit verstarb, gegen die Sarah nun eine Therapie entwickelt hat – vermerkte, dass sämtliche Kosten für Sarahs Studium an einer Eliteuniversität aus seinem Nachlass bezahlt werden sollten.
    Victor war drei Monate nach ihrem gemeinsamen Abend
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