Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
der Scheinwerfer sie getroffen hat. Selbst wenn sie es überlebt hätte, wäre sie wohl kaum noch in Liebesfilmen aufgetreten.«
    »Sieht so aus, als wüsste der Unglücksrabe, was er angerichtet hat.« Rath deutete auf den schluchzenden Meisner. »Scheint so.«
    »Schon mit ihm gesprochen?«
    »Die Kollegen haben's versucht. Zwecklos ... « »Nicht ansprechbar?«
    »Jedenfalls noch keine verwertbare Aussage ... «
    Ein lautes Poltern riss Gräf aus seinem Satz. Der Kriminalsekretär warf Czerwinski und Henning, die gerade umständlich begonnen hatten, das Kamerastativ auseinanderzufalten, einen kurzen Blick zu. »Vielleicht sollte ich lieber die Fotos machen«, meinte er. »Bevor die Kollegen die Kamera komplett zerlegen.«
    Rath nickte. »Mach das. Lass die beiden das Fußvolk hier befragen und Personalien aufnehmen. Die haben doch wahrscheinlich alle was gesehen.«
    Gräf zog die Schultern hoch. »Der Kameramann jedenfalls hat alles gesehen. Der Regisseur auch. Das gehört zu ihrer Arbeit.« Der Kriminalsekretär deutete auf einen sehnig-schlanken Mann, der ebenso eindringlich wie ruhig auf einen gut gekleideten Mittfünfziger mit Halbglatze einredete.
    Rath nickte. »Den nehme ich mir gleich mal vor. Und wo ist der Mann, der für die Scheinwerfer verantwortlich ist?«
    »Keine Ahnung. Kann mich ja nicht um alles kümmern.«
    »Sag Henning, er soll den Mann ausfindig machen und zu mir schicken. «
    Gräf drehte ab, und Rath wandte sich dem flennenden Meisner zu. Mit einem Helden hatte der Schauspieler im Augenblick wenig gemein. Als Rath direkt vor ihm stand, hörte er auf zu schluchzen und schaute aus verheulten Augen hoch. Die graue Maus streichelte ihm beruhigend über die Schultern, und Rath zeigte ihm seine Marke. Der Mann schaute ihn fast flehentlich an, das Gesicht tränennass. Plötzlich brach die Verzweiflung aus ihm heraus.
    »Ich habe sie umgebracht«, rief er, »ich habe Betty umgebracht!
    Mein Gott, was habe ich getan?«
    Meisners Hände krallten sich in Raths Hosenbeine. Wohl doch keine gute Idee, jetzt mit dem Mann sprechen zu wollen.
    »Sie haben niemanden umgebracht«, sagte Rath, »es war ein Unfall.«
    Er versuchte sich aus der Umklammerung zu befreien, doch das war gar nicht so einfach. Die graue Maus kam ihm zu Hilfe. »Schon gut, Victor«, sagte sie mit ruhiger Stimme, »du hörst doch, was der Kommissar sagt.«
    Die Frau nahm die schmalen Hände des Schauspielers, und der krampfende Griff löste sich. Sie zog ihn weg von Rath und zurück auf den Regiesessel, wo er sein Gesicht in ihrem grauen Rock vergrub.
    »Sie sehen doch, dass er nicht reden kann«, sagte sie, »er steht unter Schock! Ich hoffe, dass bald mal ein Arzt auftaucht.«
    Rath wusste, dass Doktor Schwartz unterwegs war, doch er bezweifelte, dass der Gerichtsmediziner der richtige Mann war, um eine zarte Seele wie Victor Meisner wieder aufzurichten. Er reichte der Frau seine Karte.
    »Herr Meisner muss jetzt nicht aussagen; er kann auch ins Präsidium kommen«, sagte er. »Wenn es ihm wieder besser geht. Aber spätestens Montag.«
    Die Frau schaute ihn an, doch Rath hatte das Gefühl, als ob ihr Blick durch ihn hindurchginge. Er schrieb das Datum auf die Karte und auch gleich eine Uhrzeit. Elf Uhr. Mehr Schonfrist konnte er dem armen Teufel beim besten Willen nicht gewähren.
    »Kümmern Sie sich jetzt um ihn«, sagte er zu der Frau. »Am besten, Sie bringen ihn ins Krankenhaus.«
    Die Frau nickte zögerlich, als könne sie das allein gar nicht verantworten.
    »Tu bitte, was der Herr sagt, Cora«, hörte er eine tiefe Stimme hinter sich, »es ist besser, Victor bleibt nicht länger hier als nötig.«
    Als Rath sich umdrehte, erblickte er die Halbglatze, die sich vorhin mit dem Regisseur unterhalten hatte. Cora führte Victor Meisner zum Ausgang. Der Schauspieler trottete ihr hinterher wie eine Marionette mit ausgeleierten Fäden.
    »Bellmann«, sagte die Halbglatze und streckte Rath eine Hand entgegen. »La Belle Filmproduktion. Ich bin der Produzent von Liebesgewitter. «
    »La Belle?«, fragte Rath und schüttelte die Hand. »Ich dachte, wir sind hier bei der Terra-Film.«
    »Die Räume, aber nicht die Produktion. Ein eigenes Atelier können sich die wenigsten Filmgesellschaften leisten. Wir sind doch nicht die Ufa«, meinte Bellmann, und es klang beinahe entschuldigend. Er zeigte auf den Regisseur, der ebenfalls herangekommen war. »Jo Dressler, mein Regisseur.«
    » Jo?«
    » Josef klingt zu altmodisch«, erklärte Dressler
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher