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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod
Autoren: Volker Kutscher
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und streckte ebenfalls die Hand aus. »Tag, Herr Kommissar.«
    »Wir können es immer noch nicht fassen«, sagte Bellmann.
    »Mitten im Dreh!« Der Produzent wirkte ernsthaft erschüttert. »In zwei Wochen sollte Liebesgewitter in die Kinos kommen.«
    »So schnell?«, staunte Rath.
    »Zeit ist Geld«, sagte Bellmann.
    »Wir hatten noch zwei Drehtage angesetzt«, erklärte Dressler.
    »Heute und morgen.«
    »Der Film ist fast fertig?« Dressler nickte.
    »Eine Tragödie«, sagte Bellmann. Dann lachte er nervös und verbesserte sich. »Also, der Unfall, meine ich. Der Unfall ist eine Tragödie, der Film ist natürlich eine Komödie. Eine göttliche romantische Komödie, etwas ganz Neues. Göttlich im wahrsten Sinne des Wortes.«
    Rath nickte, obwohl er nichts verstand. »Haben Sie gesehen, wie es passiert ist?«
    »Nein.« Bellmann schüttelte den Kopf. »Als ich hinzukam, lag sie schon da und rührte sich nicht. Aber Ja, du kannst dem Kommissar doch erzählen ... «
    Der Regisseur räusperte sich. »Nun, wie ich Ihren Kollegen schon gesagt habe '" Es war kurz vor Ende der Szene. Wir drehten sie gerade zum zweiten Mal, und es lief wirklich gut. Fehlten nur noch ihre Ohrfeige und der Donner, dann wären wir aus der Szene raus ... «
    »Donner?«
    »Liebesgewitter handelt von Thor, dem alten nordischen Donnergott, der sich in ein Berliner Mädchen verliebt hat und ihr als Graf Thorwald den Hof macht. Und immer wenn sie sich gerade näherkommen, donnert es.«
    Rath nickte wieder und dachte sich seinen Teil. Hörte sich reichlich verdreht an, die Geschichte. Und damit sollte Betty Winter groß rauskommen ?
    »Tja«, fuhr Dressler fort, »Und dann krachte plötzlich der Fluter von der Decke.«
    »Der was?«
    »Der Scheinwerfer, der Betty erwischte. Er riss sie zu Boden und begrub sie unter sich. Mein Gott, wie sie da lag und schrie und keiner konnte helfen - es war einfach fürchterlich... «
    »Warum hat ihr denn niemand geholfen?«
     
    »Sie haben gut reden! Wissen Sie, wie heiß so ein Scheinwerfer wird? Den fassen Sie nicht so ohne Weiteres an und ziehen ihn weg!«
    »Aber einer wollte helfen ... «
    »Sie meinen Victor?« Dressler zuckte mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht, was da in ihn gefahren ist! Es war ihre gemeinsame Szene, er stand direkt neben ihr, als es passierte, wer weiß, was da in einem vorgeht? Ein Mensch direkt neben dir, und du riechst die verbrannte Haut, hörst ihn schreien, da willst du doch helfen! Und wie sie geschrien hat!« Er schüttelte den Kopf, als könne er die Erinnerung mit dieser Bewegung abschütteln und alles ungeschehen machen. »Wir waren doch alle wie gelähmt. Ehe wir begriffen, was er vorhatte mit dem Löscheimer, hatte er das Wasser schon über sie gekippt.«
    Dressler räusperte sich, bevor er weitersprach. »Sie hat sofort aufgehört zu schreien, ein ... ein Zucken ging durch ihren Körper ... wie ... wie ein Aufbäumen. Und dann knallte es auch schon; sämtliche Sicherungen flogen raus und das Licht ging aus.«
    »Und weiter?«
    »Es dauerte ein paar Sekunden, bis wir wieder etwas sehen konnten. Ich war als Erster bei ihr, nach Victor, meine ich. Betty war tot.«
    »Wie haben Sie das festgestellt?«
    »Ich ... ich habe ihre Halsschlagader gefühlt, da war nichts mehr.
    Sie war tot.«
    »Unfassbar, nicht wahr«, mischte sich Bellmann wieder ein, »ein ungeheurer Verlust für den deutschen Film.«
    Rath schaute den Produzenten an. »Kommt so etwas eigentlich öfter vor?«, fragte er.
    »Was?«
    »Na, dass Scheinwerfer einfach so vom Himmel fallen? Die Konstruktion da oben sieht mir ein bisschen wacklig aus.«
    Er hatte eine empfindliche Stelle getroffen, Bellmann sprang sofort aus dem Hemd. »Hören Sie, Herr Kommissar, das mag vielleicht etwas provisorisch aussehen, aber glauben Sie mir, das ist alles überprüft und genehmigt, fragen Sie Ihre Kollegen von der Baupolizei!« Bellmann redete sich in Rage; mit jedem Satz wurde er lauter. »Das hier ist ein Glashaus, optimal für Filmaufnahmen, aber eben nicht für die Tonaufzeichnung. Deswegen wurde hier auch umgebaut - wir sind immer noch dabei. Schalldämmung, Sie verstehen. Die ist beim Tonfilm wichtiger als Tageslicht. Darauf müssen wir leider verzichten. Aber was die Beleuchtung angeht, da waren wir hier schon immer bestens ausgestattet, unsere Scheinwerfer gehören zum Modernsten, was Sie heute in der Branche finden, sogar Nitraphotlicht ... «
    Bellmann schien plötzlich zu bemerken, wie unpassend seine Bemerkung
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