Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
war angesichts einer durch eben solch einen modernen Scheinwerfer umgekommenen Schauspielerin. Er verstummte.
    Rath tat nichts gegen das verlegene Schweigen, das nun entstand. Manche Leute ließen sich durch so etwas aus der Reserve locken. Aber Bellmann hatte sich im Griff. Diese Fähigkeit brauchte man wohl in seinem Beruf. Der Regisseur schien da schon unruhiger zu sein, er trat von einem Bein aufs andere, als müsse er mal. Bevor er etwas Unbedachtes sagen konnte, störte jedoch Henning das Schweigen. Der Kriminalassistent erschien mit einem schmächtigen Mann im Schlepptau, den er als Hans Lüdenbach vorstellte.
    Rath musterte das Männlein, das in seinem grauen Arbeitskittel wie ein unterbezahlter Hausmeister wirkte. »Sie sind der Beleuchter?« »Oberbeleuchter. «
    »Dann sind Sie also verantwortlich für den Scheinwerfer, der sich da oben selbstständig gemacht hat?«
    Das Männlein öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Bellmann kam ihm zuvor.
    »Herr Kommissar! Die Verantwortung für all das übernehme selbstverständlich ich!« Er klang wie ein abgehalfterter Minister, der den Rücktrittsforderungen der Opposition zuvorkommen will.
    »Ich meine das eigentlich eher im praktischen Sinn«, entgegnete Rath. »Irgendwer hat offensichtlich gepfuscht. Und wenn es nicht der Hersteller der Beleuchtungsanlage war, dann doch wohl einer von Ihren Leuten, Herr Oberbeleuchter. «
    »Unmöglich«, sagte Lüdenbach.
    »Überprüfen Sie denn nicht regelmäßig, ob da oben auch alles richtig festgeschraubt ist?«
    »Aber natürlich. Bevor das Licht nicht stimmt, kann doch überhaupt nicht gedreht werden! «
    »Und mit dem Fluter war alles in Ordnung?«
    »Optimal eingestellt. Einwandfreies Licht. Warum die Befestigung versagt hat, kann ich Ihnen auch nicht sagen, das müsste man sich schon oben aus der Nähe angucken.«
    »Das haben Sie noch nicht gemacht?«
    Lüdenbach schüttelte den Kopf. »Wie denn? Wenn Ihre Leute einem alles verbieten? Wir sollen nichts anrühren, das war das Erste, was die uns gesagt haben.«
    »Natürlich.« Rath nickte. »Dann zeigen Sie mir doch mal die Stelle, wo der Fluter gehangen hat«, sagte er, und Lüdenbach steuerte auf eine schmale Stahlleiter zu, die geradewegs in den Himmel zu führen schien. Rath fragte sich, ob man so dünn sein musste wie Hans Lüdenbach, damit die Gerüste hielten. Ihm war nicht ganz wohl bei der Sache, zehn Höhenmeter, ungesichert und wacklig, reichten normalerweise, um ihm den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben. Er schaute nicht nach unten, als er die Leiter Sprosse für Sprosse nach oben stieg, immer dem grauen Kittel nach. Auch als er Lüdenbach über das wacklige Laufgitter folgte, das bei jedem Schritt quietschte und schepperte, versuchte er den Blick in die Tiefe zu vermeiden, er tastete sich voran, seine Hände umkrampften das Geländer, doch instinktiv schaute er auf seine Schuhspitze, als er einen Schritt nach vom machte. Durch das Eisengitter unter seinen Füßen wirkte der Studioboden unendlich weit entfernt. Ein seltsamer Grundriss zeigte sich von hier oben, neben dem Kaminzimmer mit der Toten lagen eine Hotelrezeption und eine einfache Dienstbotenstube, daneben ein Straßencafe. Und die Tür des Kaminzimmers führte geradewegs in ein Polizeibüro mitsamt Arrestzelle. Wahrscheinlich sämtlich Schauplätze von Liebesgewitter. Von unten blitzte es grell nach oben. Gräf hatte mit seiner Arbeit begonnen. Rath zwang seinen Blick nach vom. Der Oberbeleuchter war verschwunden.
    »Hey!«, rief Rath über das Gerüst. »Wo stecken Sie denn?«
    Das Stahlgitterlabyrinth war verwirrender, als es von unten den Anschein hatte. Das lag vor allem an den schweren Stoffbahnen, die an allen möglichen Stellen von der Decke herabhingen und die Sicht versperrten.
    »Hier ist es.« Die Stimme des Oberbeleuchters klang gedämpft, schien aber ganz in der Nähe zu sein. »Wo bleiben Sie denn?«
    Als Rath sich ein paar Meter vorgearbeitet hatte, sah er Lüdenbach wieder. Höchstens drei Meter entfernt hockte der graue Kittel am Boden des Laufgitters. »Bin gleich bei Ihnen«, sagte Rath. »Fassen Sie bitte nichts an!«
    Seine verkrampften Hände schmerzten schon, Schweiß stand ihm auf der Stirn, doch er ließ sich nichts anmerken und arbeitete sich voran. Lüdenbach zeigte auf eine Halterung.
    »Hier«, murmelte der Mann im grauen Kittel, und Rath hockte sich neben ihn, »gucken Sie sich das mal an, das gibt's doch gar nicht!«
    »So?«
    »Hier müsste eigentlich ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher