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Der stumme Tod

Der stumme Tod

Titel: Der stumme Tod
Autoren: Volker Kutscher
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instruieren! Fräulein Voss konnte mir nicht einmal sagen, was Sie da im Westen überhaupt machen!«
    »Isolde Heer«, nuschelte Rath, »ihr Suizid steht nun fest. Der Bericht ist so gut wie fertig. Liegt morgen auf Ihrem Schreibtisch.« »Sind Sie unter die Literaten gegangen? Oder warum schreiben Sie Ihre Berichte im Cafe?«
    »Ein Zeuge arbeitet in der Nähe und hat den Treffpunkt vor ... « »Na, ist ja auch egal. Lassense mal diesen unwichtigen Mist liegen und schnappen sich Ihren Kriminalassistenten ... «
    »  sekretär ... «
    »  und fahren nach Marienfelde raus. Terra-Atelier. Tödlicher Unfall. Kam gerade rein. Die Kollegen vom Zwohundertzwoten haben um Unterstützung gebeten. Ist wohl komplizierter als gedacht.«
    Oder die Kollegen im 202. Revier bangen um ihren pünktlichen Feierabend, dachte Rath.
    »Ein Unfall«, sagte er. »Hört sich ja spannend an. Was für ein Atelier war das gleich noch?«
    »Terra. Filmfritzen. Irgendjemand vom Gerüst gefallen oder so. Ich habe Ihnen einen Wagen geschickt, die Kollegen kennen den Weg.«
    »Da bleibt mir ja nur noch, Ihnen zu danken.«
    Böhm tat so, als habe er Raths Sarkasmus nicht bemerkt. »Ach, Herr Kommissar«, sagte er nur, »da wäre noch etwas.« Scheiße! Ärgere nie deine Vorgesetzten!
    » Ja?«
    »Dieser Wessel wird morgen um fünf beerdigt. Ich möchte, dass Sie sich das Spektakel mal anschauen. Diskret natürlich.«
    Natürlich! Hatte die Bulldogge noch etwas gefunden, um ihm das Wochenende zu versauen! Die ideale Kombination: eine undankbare Aufgabe, idealerweise am dienstfreien Samstagnachmittag und garantiert ohne Bedeutung für die weiteren Ermittlungen!
    »Und was genau soll ich da beobachten, Herr Oberkommissar?«, fragte Rath. Er sah nicht den geringsten Nutzen darin, morgen auf dem Friedhof herumzulungern, nicht in einem politisch derart aufgeheizten Fall, in dem der Tathergang überdies längst geklärt war. Das mochte für die Politische Polizei interessant sein, nicht aber für die Inspektion A.
    »Ich muss Ihnen doch wohl nicht erklären, wie die Kriminalpolizei arbeitet«, schnauzte Böhm durch den Hörer. »Das ist Routine! Halten Sie einfach die Augen auf!«
    »Jawohl, Herr Oberkommissar.«
    Ein höflicher Abschied erübrigte sich, die Bulldogge hatte bereits aufgelegt.
    Die Beisetzung von Mordopfern zu besuchen gehörte tatsächlich zur Routine der Inspektion A - nur war klar, dass die Beerdigung morgen eher einer politischen Kundgebung gleichen und unter Garantie keine neuen Aufschlüsse liefern würde in einem Fall, der ohnehin sonnenklar war: Vor ein paar Wochen hatte ein Zuhälter einem jungen SA-Führer, der ihm eins seiner Pferdchen ausgespannt hatte, eine Kugel in den Mund geschossen. Der Mann saß bereits seit sechs Wochen in U-Haft und war geständig, berief sich allerdings auf Notwehr, obwohl er mit ein paar kommunistischen Kumpels gewaltsam in die Wohnung eingedrungen war. Am Sonntag war das Opfer gestorben, und Goebbels' Angriff hatte aus dem Jüngling, der sich in eine Hure verliebt und das mit dem Leben bezahlt hatte, einen Heiligen gemacht, einen Märtyrer der Bewegung, einen Blutzeugen, wie die Völkischen das nannten. Entsprechend aufgeheizt war die Stimmung. Die Polizei rechnete mit Schlägereien zwischen Nazis und Kommunisten und hatte ein paar Hundertschaften Schupo bereitgestellt. In diesen Hexenkessel wollte Böhm ihn schicken. Vielleicht hoffte der Oberkommissar, dass irgendein Nazi oder Kommi Rath aus Versehen niederschlug.
    Rath blieb gleich am Telefon, er rief in Schöneberg an und erreichte Gräf noch in der Wohnung Heer. Fünf Minuten später stand er auf dem Gehweg am Uhlandeck und wartete. Kathi war noch immer nicht erschienen. Jetzt war es für eine Aussprache auch zu spät.
    Das Mordauto hatte Böhm ihm nicht gegönnt. Ein grüner Opel der Fahrbereitschaft hielt in zweiter Reihe auf dem Ku'damm. Kriminalsekretär Czerwinski schälte seinen zu schweren Körper aus dem Beifahrersitz, als er den Kommissar erblickte, und öffnete die Tür zum Fond. Am Steuer saß Kriminalassistent Henning. Rath seufzte. Plisch und Plum, wie die unzertrennlichen Kollegen in der Burg genannt wurden, waren nicht gerade die ehrgeizigsten Kriminalisten am Alex, wahrscheinlich schanzte Böhm sie ihm deshalb immer mal wieder zu. Henning tippte kurz an seinen Hut, als Rath sich auf den Rücksitz zwängte. Lange, harte Holzstäbe und eine unförmige Kiste ließen ihm kaum Platz.
    Rath fluchte. »Was ist denn das?«
    »Der
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