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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende
Autoren: Michael Lewin
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gesehen. Ich würde auf
     Brasilien tippen.«
    »Tolles Land«,
     sagte er. »Vor allem für einen Mann mit etwas Hirn, etwas
     Wissen und etwas Kapital.«
    Ich nickte.
    »Nur daß Sie es für
     mich notwendig gemacht haben, früher zu gehen - sechs Monate und
     ungefähr fünfundzwanzigtausend früher -, als ich
     beabsichtigt hatte.«
    »Was ist mit ihr?«
     fragte ich und wies mit dem Kopf auf das Schlafzimmer.
    »Garantiert nicht.«
     Er schüttelte den Kopf. »Sie ist ziemlich bescheuert. Ich weiß
     nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist.«
    Es fiel mir schwer, mich
     davon abzuhalten, eine Menge Dinge, die mir aufgefallen waren,
     aufzulisten. Aber ein schlechter Schuß konnte mein letzter sein.
    »Wie konnte Pighee bei
     ihr landen, wo Sie doch da waren?« fragte ich.
    »Als sie dazukam, habe
     ich noch keinen Gedanken an sie verschwendet. Ich war sozusagen
     anderweitig beschäftigt. Aber dann kommt dieser Pighee-Bursche daher
     und denkt, er ist ein ganz heißer Typ und bringt ’ne Menge
     Zeit damit zu, mir zu erzählen, was für ein williges Stück
     sie ist, wenn man sie richtig behandelt.«
    »Aha«, sagte ich.
    »Komisch, daß er
     das gesagt hat, wo sie doch diejenige war, die ihn verpfiffen und uns erzählt
     hat, daß er was im Schilde führte.«
    »Was führte er
     denn im Schilde?«
    Er schüttelte den Kopf.
     »In dieser Art von Organisation kann man nicht auf Einzelheiten
     warten. Eins muß ich ihm allerdings lassen, er war kein schlechter
     Talentsucher. Obwohl er bei ihr nicht einmal die Oberfläche
     angekratzt hat.«
    Marcia Merom klopfte leise an
     die Tür. Augenblicklich straffte sich Seafield. Er hatte sich keinen
     Augenblick von seinem Standpunkt zwischen mir und der Küche
     wegbewegt. Ich hatte nie eine Chance, ihm zu entkommen. Mit einer Flasche
     in der Hand und seiner Größe, Stärke und Jugend wäre
     er in einem Kampf ein sicherer Tip gewesen.
    »Sehen Sie mal«,
     sagte ich, »ich bin ein wenig müde. Ist es in Ordnung, wenn ich
     mich hinsetze?«
    »Lee?« kam die
     Stimme durch die Tür. »Du hast mich doch nicht vergessen, oder?
     Kann ich jetzt wieder rauskommen?«
    »Machen Sie sich keine
     Sorgen wegen Ihrer Müdigkeit«, sagte er. »Darum kümmere
     ich mich schon.«
    »Sie werden es also
     wirklich tun?«
    »Ich werde es wirklich
     tun.« Er klopfte auf die Flasche in seiner Hand. »Ich brauche
     lediglich an das Geld zu denken, das Sie mich kosten, und ich werde es
     genießen.«
    »Lee?«
    »Beinahe so sehr, wie
     sie es genießen wird zuzusehen.«
    Ich machte einen schnellen
     Schritt nach vorn, um ihn zu einer Reaktion zu zwingen. Was mir gelang.
     Ich wollte nicht, daß Marcia Merom zurück ins Zimmer kam.
    »Sehen Sie«,
     sagte ich, »wenn Sie es wirklich tun, darf ich dann nicht wenigstens
     noch ein Gebet sprechen?«
    Erstaunen huschte über
     sein Gesicht. »Was?«
    »Wenn ich sterben muß,
     geben Sie mir vorher die Möglichkeit, mit Gott ins reine zu kommen.«
    »Ich glaube es einfach
     nicht.«
    »Bitte.« Ich
     faltete die Hände, Handfläche an Handfläche, um meinen
     tiefen Glauben zu zeigen.
    Er lächelte. »Na,
     dann sprechen Sie Ihr Gebet«, sagte er. Eine letzte Großherzigkeit.
    Ich fiel auf die Knie und
     watschelte zur Couch hinüber. Er sah nur meinen Rücken, als ich
     mich darüberbeugte.
    Ich hörte, wie sich
     hinter mir die Tür öffnete und Seafield sagte: »He, sieh
     dir das mal an. Der Kerl will doch tatsächlich beten.« Ich hörte
     Marcia Merom ins Zimmer schlurfen und brummend ihr Mißvergnügen
     darüber kundtun, daß man sie eingesperrt hatte, während
     sie doch so schön mit der Maus hätte spielen können.
    Dann hörte ich, wie sie
     aufhörte zu schlurfen, aufhörte zu brummen. Ich hörte sie
     keuchen. Ich hörte sie sagen: »Nein, Lee! Nein!«

 
    42
    Mit einem Satz war ich bei
     dem Kissen am anderen Ende der Couch. Ich tastete das Polster darunter auf
     der Suche nach der Waffe ab, die Marcia Merom das letzte Mal, als ich bei
     ihr in ihrem Apartment gewesen war, dort hingelegt hatte. Sie war nicht
     da. Ich konnte sie nicht finden.
    Aber ich konnte mich doch
     nicht irren, oder? Ich hechtete nach dem Kissen am anderen Ende. Unter dem
     konnte der Revolver nicht liegen. Ich erinnerte mich ganz klar. Aber dann
     stießen meine Finger auf kaltes, hartes Metall.
    Ich fingerte daran herum,
     suchte den Griff. Fand ihn. Drückte auf den Abzug, während ich
     gleichzeitig versuchte, den Revolver auf Seafield zu richten.
    Der
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