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Der strahlende Tod

Der strahlende Tod

Titel: Der strahlende Tod
Autoren: Clark Darlton und Robert Artner
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Mann zog ein Taschentuch aus der Tasche, knüllte es zusammen und drückte es fest um den Sicherungsflügel der MPi. Dann legte er den Hebel um. Die Waffe war entsichert. Das knackende Geräusch des Sicherungsflügels war durch das Taschentuch erstickt worden. Lautlos erhob er sich von seinem Stuhl. Mit einem Satz war er vor dem schmalen Türspalt. Er hatte die Waffe im Anschlag.
    »Nur herein«, sagte der Mann.
    Aber er bekam keine Antwort. Draußen, vor der Tür, stand ein Hund. Und Hunde können nicht reden. Der Mann war noch nicht beruhigt. Immerhin war es ja möglich, daß jemand den Hund vorgeschickt hatte, um festzustellen, ob jemand im Drugstore war. Der Mann riß die Tür auf und blickte vorsichtig hinaus. Aber es war nichts zu sehen. Der Mann wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und wandte sich dem Hund zu. Das Tier war so abgemagert, daß man seine Rippen zählen konnte. Als der Mann sich niederbeugte, um es zu streicheln, wich es zurück und knurrte ihn an.
    »Na hör mal«, sagte der Mann, »ich tu dir doch nichts. Na, komm doch her. Ein schönes Gebiß hast du, mein Lieber. Wenn du genug zu fressen bekommst, bist du sicher ganz schön gefährlich, wenn du jemanden nicht leiden kannst, was?«
    Der Mann ging in den Drugstore und öffnete eine Fleischdose. Er schüttete das Fleisch auf den Fußboden. Dann setzte er sich auf einen Stuhl und sah dem Hund zu. Der Hund kam schnüffelnd näher. Immer wieder sah er mißtrauisch zu dem Mann hoch. Der Mann redete langsam und mit ruhiger Stimme auf ihn ein. Der Hund umkreiste das Fleisch. Schließlich konnte er der Versuchung nicht mehr widerstehen. Er fraß schnell und gierig.
    »Na, siehst du«, sagte der Mann, »jetzt sind wir schon einen Schritt weiter.«
    Er redete weiter auf den Hund ein, und nach einer Weile hatte der Hund sein Mißtrauen überwunden und kam schwanzwedelnd näher. Der Mann klopfte ihm auf den Rücken, und der Hund ließ es sich gefallen.
    »Wie soll ich dich bloß nennen?« fragte der Mann. »Schließlich mußt du doch einen Namen haben. Ich werde dich Paul nennen. Du bist zwar kein reinrassiger Schäferhund, aber irgendwo in deiner Ahnengalerie war bestimmt einer dabei.«
    Als der Mann aufbrach, lief Paul in ein paar Metern Abstand hinter ihm her.
     
    *
     
    Der Mann suchte nichts Bestimmtes in der Stadt. Wenn man ihn gefragt hätte, er hätte nicht zu sagen vermocht, weshalb er überhaupt hierher gekommen war. Doch: vielleicht, um Menschen zu treffen. Aber der Mann wußte selbst gut genug, daß andere Menschen für ihn den Tod bedeuten konnten. Und trotzdem trieb es ihn immer weiter. Die blaßrote Sonne stand tiefer am Himmel. Aber die Hitze hatte kaum nachgelassen. Der Mann versuchte auszurechnen, wie lange es noch dauern würde bis zur Dunkelheit. Er wußte, daß es gefährlich war, in der Nacht weiterzugehen. Er blieb vor einem großen Gebäude stehen, in dessen Vorderfront eine Uhr und ein automatischer Kalender eingebaut waren. Sein Mund verzog sich zu einem ironischen Lächeln, als er das Datum las. 14. Mai, 1995. Zeit: sechs Uhr morgens. Die Zeit stimmte natürlich nicht. Und das Datum stimmte auch nicht. Es stimmte nichts mehr von dem, was so präzise und gut funktioniert hatte. Der Mann wußte nicht, was für ein Tag heute war. Er war schon vor langer Zeit mit der Rechnung durcheinander gekommen. Und schließlich hatte er es aufgegeben, sich darüber Gedanken zu machen, an welchem Tag er lebte. Es war wichtiger, daß er überhaupt lebte, und er hatte genug damit zu tun, am Leben zu bleiben.
    Der Hund rieb sich an seinen Beinen. Der Mann griff ihm gedankenverloren ins Fell und streichelte ihn.
    »Ich möchte mal wissen, wo du zu der Zeit gewesen bist«, sagte er und lachte leise. Dann ging er mit schnellen, entschlossenen Schritten weiter.
    Als er in eine Gegend kam, in der er immer mehr eingeschlagene Schaufensterscheiben und geplünderte Geschäfte sah, wurde er vorsichtiger. Er hätte diese Gegend am liebsten schnell hinter sich gelassen, aber er wußte, daß er die Stadt vor dem Einbruch der Dunkelheit nicht mehr verlassen konnte. Er mußte sich hier ein Quartier für die Nacht suchen. Und er mußte in dieser Nacht unbedingt einmal durchschlafen, denn er war schon zu lange ohne Schlaf ausgekommen. Das minderte die Aufmerksamkeit und die Reaktionsfähigkeit. Der Mann wollte kein Risiko eingehen. Er hatte zuerst daran gedacht, einfach in ein Appartementhaus zu gehen und sich dort ein Zimmer auszusuchen. Aber das war zu
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