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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy
Autoren: Hammesfahr Petra
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war am Telefon. Im Hintergrund hörte ich das Kreischen von kleinen Kindern und die Stimme seiner Frau.
    »Das ist nicht zu heiß. Jetzt halt still, sonst kriegst du den Schaum noch in die Augen.«
    »Ja, das ist aber schlecht«, erwiderte Herr Kolling in seiner phlegmatischen Art.
    »Wir wollen nämlich gleich weg. Mein Vater hat Geburtstag, müssen Sie wissen. Da sind wir natürlich eingeladen. Wir wollten so um drei los.«
    »Dann schicken Sie Nicole bitte zu meiner Mutter.«
    »Geht in Ordnung«, sagte er. Es ging nicht in Ordnung. Es ging alles durcheinander. Ein Anruf bei Mutter.
    »Natürlich bin ich heute nachmittag daheim. Natürlich kann das Kind bei mir bleiben, bis du kommst.« Wieso denn plötzlich natürlich? Und der Abteilungsleiter mit seiner ungewohnten Freundlichkeit.
    »Aber natürlich können Sie die halbe Stunde früher gehen, Frau Pelzer. Das ist ja wohl selbstverständlich. Und richten Sie Frau Otten aus, wir denken alle an sie.« Ja, tut das, vielleicht merkt Hedwig sogar was davon. Sie kann das, Gedanken lesen, meine ich. Meine liest sie auch. Wolfgang Beer mit seinem starren Gesicht und der zerkauten Unterlippe, den Händen, die sich um das Lenkrad krampften, daß die Knöchel weiß und spitz hervortraten.
    »Dieser verfluchte Hund ahnt gar nicht, was er alles kaputtgemacht hat. Ich bin nur froh, daß ich nichts mehr mit dem Fall zu tun habe. Ich hätte ihm längst ein Geständnis aus den Rippen geprügelt. Ist gar nicht so einfach, wenn man vor so einem Bürschchen sitzt und ihm ständig gut zureden muß, und er schüttelt zu allem nur den Kopf.«
    »Und wenn er es wirklich nicht war?« Der fassungslose Blick, den er mir zuwarf, das höhnische Lachen.
    »Wer soll es denn sonst gewesen sein?«
    »Mein Mieter könnte es gewesen sein, Herr Genardy.«
    »Wie kommen Sie denn auf solch eine Schnapsidee?«
    »Ich habe Fotos in seinem Nachttisch gefunden. Pornografien von Kindern. Aber keine normalen Pornografien. Entweder waren die Kinder auf den Bildern tot, oder sie waren bewußtlos. Er hat ein ganzes Arsenal von Medikamenten in seiner Kommode, die müde machen. Er hatte den Schlüssel vom Zimmer meiner Tochter an sich genommen. Und er hat mir Unterwäsche aus dem Keller gestohlen. Ein Höschen von Nicole.«
    »Ach«, brachte Wolfgang Beer heraus, nachdem ich meine Aufzählung beendet hatte. Er warf mir wieder einen kurzen, diesmal leicht mißtrauischen Blick zu. Ich war ganz sicher, daß sein Mißtrauen nicht mir galt. Und dann ritt mich der Teufel.
    »Sie müßten diese Sorte Höschen eigentlich kennen. Hedwig hatte für ihre Tochter die gleichen gekauft. Sie sind mit den Wochentagen bedruckt. Montag, Dienstag, Mittwoch. Und jeweils ein Tiermotiv.«
    »Und so eins haben Sie bei ihm gefunden?« Es klang sehr gepreßt, als fehle ihm der Atem. Ich nickte schwerfällig und so, als habe ich niemals von Hedwig gehört, welch ein Höschen ihre Tochter am Tag ihres Todes getragen hatte. Ich brachte sogar einen langgezogenen Seufzer zustande und murmelte:
    »Ja, ein Donnerstag-Höschen. Ich war am Mittwoch in seiner Wohnung, weil mir da ein paar merkwürdige Dinge aufgefallen sind. Ich wollte dann gleich am Mittwoch abend mit ihm reden, damit er wieder auszieht. Aber er kam nicht. Er war auch gestern und vorgestern nicht da.« Dann schwieg ich, ließ das Höschen wirken. Nun komm schon, Wolfgang Beer, du bist Polizist, zieh die richtigen Schlüsse. Du mußt doch wissen, welches Kleidungsstück nicht bei der Leiche gefunden wurde. Aber anscheinend wußte er es nicht genau. Und es dauerte eine Weile, ehe ich ihn überzeugt hatte. Drei Stunden lang saß ich an Hedwigs Bett. Ich auf der einen Seite, Wolfgang Beer auf der anderen. Hedwig kam nicht zu Bewußtsein. Ab und zu flüsterten wir über sie hinweg. Dabei hätten wir uns auch anbrüllen können, sie wäre bestimmt nicht aufgewacht davon. Wolfgang Beer stellte Fragen, ich beantwortete sie. Zählte der Reihe nach auf, was Hans Werner Dettov bisher in Erfahrung gebracht hatte. Manchmal wirkte Wolfgang Beer sehr nachdenklich, manchmal nickte er versonnen vor sich hin. Daß Herr Genardy es mit der Wahrheit nicht so genau nahm, hatten seine Kollegen bereits festgestellt. Aber Herr Genardy hatte ihnen einen triftigen Grund nennen können, als sie ihn auf seine Flunkereien ansprachen. Seine Nachbarin, die nicht unbedingt wissen mußte, daß er nicht nach Norddeutschland verzog, sondern ganz in der Nähe blieb. Weil er ganz in der Nähe eine reizende
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