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Der Stern von Yucatan

Der Stern von Yucatan

Titel: Der Stern von Yucatan
Autoren: Debbie Macomber
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Schmerz. Er fragte sich, ob sie in diesen letzten achtzehn Monaten durch dasselbe tiefe Tal gewandert war wie er. Sie schien endlich einen, wenn auch instabilen, inneren Frieden gefunden zu haben, was sicher nicht leicht gewesen war.
    Für ihn auch nicht.
    In den letzten Monaten hatten ihn seine Erinnerungen aufrecht gehalten. Er besaß weder ein Bild von ihr noch ein Erinnerungsstück an ihre gemeinsame Zeit. Er hatte geglaubt, das sei nicht nötig, und doch hätte er gern etwas von ihr gehabt.
    Offenbar kannte er sie nicht so gut, wie er gedacht hatte.
    Als er endlich den Blick von Lorraine und den Jungen löste, las er auf einem hölzernen Schild an dem neuen Gebäude in Englisch und Spanisch Jack-Keller-Gedächtnis-Klinik.
    “Ist etwas nicht in Ordnung?”, fragte Gary.
    Jack hob den Blick und schüttelte den Kopf.
    “Sie sehen aus, als wäre Ihnen ein Geist begegnet.”
    “So fühle ich mich auch”, bekannte er offen. “Mir scheint, wir haben mehr zu besprechen, als mir bewusst war.”
    Lorraine lebte jetzt seit sechs Monaten in El Mirador, und ihr kam es vor, als hätte sie schon ein Leben lang hierher gehört. Ihr Spanisch war immer noch rudimentär, aber sie arbeitete stetig daran. Antonio und Hector brachten ihr stolz immer wieder neue Wörter bei, und sie unterrichtete sie im Gegenzug in Englisch.
    Sobald ihr Vorhaben, eine Klinik in Jacks Andenken zu errichten, die Runde gemacht hatte, erhielt sie mehr Hilfsangebote von der örtlichen Bevölkerung, als sie verwenden konnte. Die Klinik mit einer Wohnung für sie wurde in Rekordzeit erbaut.
    Das Gebäude an sich war nur der Anfang. Ihre Freunde bei Group Wellness in Louisville spendeten über 25.000 Dollar für Medizin, und Med-X hatte medizinische Ausrüstung gestiftet mit einer Verpflichtung, im folgenden Jahr dasselbe zu tun.
    Lorraines letzte Hürde, bevor sie in Jacks Klinik einziehen konnte, war ihr Zertifikat, damit sie in Mexiko medizinisch arbeiten durfte. Mit Unterstützung ihres Vaters füllte sie die notwendigen Formulare aus, und mit Hilfe der Regierung, die ihr dankbar war für die Wiederbeschaffung des Stern von Yucatán, konnte sie ihre Klinik innerhalb von zwei Monaten eröffnen.
    Am ersten Tag war sie schockiert gewesen über den Andrang. Die Patienten standen Schlange bis auf die Straße.
    Am Ende der ersten Woche war Lorraine überzeugt, das Richtige getan zu haben. Ihr vorheriges Leben erschien ihr plötzlich unbedeutend. In El Mirador wurden ihre medizinischen Kenntnisse gebraucht. Zu wissen, dass sie anderen half, half auch ihr. Sie lernte, beides zu akzeptieren, ihre Vergangenheit und ihre Zukunft. Und sie verstand, dass ihr Vater durch seine Tätigkeit hier dieselbe Erfahrung gemacht hatte.
    Zum ersten Mal seit Jacks Tod schlief sie wieder eine Nacht durch. Manchmal verging ein ganzer Tag, ohne dass sie an ihn dachte. Und dachte sie doch an ihn, überwältigte sie keine unerträgliche Trauer mehr. Sie war überzeugt, dass er mit ihrer Entscheidung, nach El Mirador zurückzukehren und hier zu arbeiten, einverstanden gewesen wäre.
    Am Ende eines langen Tages lehnte sie sich manchmal zurück, legte die Füße hoch und wünschte, er könnte sie sehen. Wie sehr unterschied sie sich jetzt von der selbstgerechten, spröden jungen Frau, die er kennen gelernt hatte. Die Veränderung war so drastisch, dass sie das ganze Ausmaß erst jetzt richtig begriff.
    Ihre Mutter hatte immer beteuert, das Leben sei ein ständiger Kompensationsprozess. Schließe sich eine Tür, öffne sich eine andere. Sie hatte nie viel darüber nachgedacht, bis ihr bewusst geworden war, wie innig sie ihre drei Halbbrüder liebte.
    Jack war für sie verloren, aber sie hatte ihr Herz wieder verschenkt. Antonio, Hector und Alberto erwiderten ihre Zuneigung rückhaltlos. Die beiden Älteren kamen für gewöhnlich am Nachmittag zu ihr, und nicht selten schleppten sie sie dann zum Dinner mit nach Hause. Zwei oder drei Mal pro Woche war sie zum Essen bei Thomas und Azucena. Je mehr sie ihren Vater kennen lernte, desto mehr liebte und respektierte sie ihn. Sie wünschte, ihn doch wesentlich früher kennen gelernt zu haben, und mühte sich immer noch, ihrer Mutter diese lange Trennung zu verzeihen.
    Ihre Beziehung zu Azucena gründete sich ebenfalls auf Zuneigung und gegenseitige Hilfe.
    Alberto, ihr jüngster Halbbruder, hatte sich vollkommen erholt. Der pausbäckige Junge war ihre größte Freude. Sein rundes Gesicht strahlte glücklich, sobald er sie sah. Fröhlich kam
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