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Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis

Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis

Titel: Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
Autoren: Margaret Weis
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sie brauchten keine Worte – ihre Kleidung war zerrissen und blutig, ihre Gesichter rußgeschwärzt, Tränen zogen Spuren in den Dreck. Reinholt begann, das Pochen an seiner Tür zu fürchten, und als es abermals klopfte, war sein erster Impuls, sich nicht zu rühren oder denen draußen zu sagen, sie sollten gehen. Dann gewann sein Sinn für Verantwortung und Pflicht die Oberhand. Er öffnete die Tür.
    Neun Männer und Frauen, gekleidet in Pelze und Eisen, bewaffnet mit baumgroßen Speeren, standen draußen im Flur und starrten ihn ausdruckslos an. Die Krieger begleiteten einen geschrumpften, ausgetrockneten kleinen Vogel von einer Frau, deren Körper von Tätowierungen bedeckt war.
    Der Ehrenwerteste Magus starrte sie an, erholte sich von seinem Staunen und verbeugte sich mit einiger Verspätung. »Hüterin Tabita! Euer Besuch ist eine große Ehre für mich. Bitte, kommt herein.«
    Aber noch während er sie einlud, seine Schwelle zu überschreiten, war sein Geist in Aufruhr, abwechselnd voller Verzweiflung, dann wieder von Hoffnung beflügelt. Er hatte Tabita begrüßt, als sie in die Stadt gekommen war, und hatte den leeren Fleck auf ihrem Schädel gesehen. Dieser Fleck war nun beinahe vollkommen mit den Tätowierungen gefüllt, die die tragische Geschichte der Schlacht von Vinnengael erzählten. Nur ein kleiner Bereich war noch nicht gezeichnet, ganz oben auf ihrem Kopf. Das Ende war nahe. Und die Hüterin der Zeit war gekommen, um Zeugin zu werden.
    Tabita betrat das Arbeitszimmer. Sie wirkte vergnügt, beinahe ekstatisch. Sie näherte sich der Vollendung ihres Lebenswerks. Sie war eine Beobachterin des Lebens, eine Aufzeichnerin von Ereignissen, und die Dinge, deren Zeugin sie geworden war, hatten sie nicht erschüttert. Sie setzte sich mit der Hilfe des Hohen Magus auf einen Stuhl – er musste sie praktisch hineinheben –, und dann wartete sie ruhig auf das Ende.
    Ihre Füße berührten nicht einmal den Boden. Sie nahm ein Stück Gebäck und ein Glas Wein entgegen, in den sie das Gebäck eintauchte, und saß essend und trinkend da und sah sich mit ihren scharfen, hellen Augen um. Über der Schulter trug sie eine Tasche mit ihrem Handwerkszeug. Als die Mahlzeit beendet war, holte sie die unauslöschliche Tinte und den magischen Griffel aus der Tasche und legte sie auf dem Tisch bereit. Der Griffel würde in ihre Haut eindringen und dort die Wirbel und Linien und Punkte einzeichnen, Markierungen, die nur von jenen gelesen werden konnten, die in dieser Kunst, diesem Wissen ausgebildet waren, das ein streng gehütetes Geheimnis der Hüter war.
    Die neun Omarah-Leibwächter hatten das Arbeitszimmer des Hohen Magus betreten und sich an den Wänden entlang aufgestellt, wo immer sie Platz fanden, und ihre Speerspitzen stachen Löcher in die Holzarbeiten. Sie standen schweigend da, die Köpfe gesenkt, die Blicke auf ein Ziel fixiert – die Hüterin.
    Der Ehrenwerteste Hohe Magus versagte als Gastgeber vollkommen. Seine Angst, seine Unruhe, verbunden mit dem Aufflackern von Hoffnung, hatten dazu geführt, dass er sich vollkommen verkrampfte. Er konnte nicht mehr auf und ab gehen, ohne über die Füße der Leibwächter zu fallen, und er war vollkommen unfähig, höfliche Konversation zu machen. Er saß da und nestelte unruhig an seiner Kleidung herum, tippte mit den Fingerspitzen auf den Schreibtisch. Tabita versah ihren Griffel mit Tinte.
    Minuten vergingen. Der Magus konnte das Warten nicht mehr ertragen. Der Stoff der Magie schien sich fester und fester zu spannen. Die Magie war so straff wie ein Seil bei einem Tauziehen zwischen gewaltigen Kräften. Keine Kraft ließ los, niemand wagte loszulassen aus Angst, dass das Seil zurückschnappen und sie vernichten würde. Es war das Seil selbst, das reißen musste.
    »Ein angemessenes Bild«, meinte Tabita, obwohl der Hohe Magus nicht laut gesprochen hatte.
    »Hüterin«, sagte Reinholt verzweifelt, »gibt es… gibt es irgendetwas, das wir tun könnten?«
    »Ich sehe nur. Ich zeichne nur auf.« Sie tätschelte ihren kahlen Kopf und baumelte mit den Beinen. »Aber Euer Bild hat mir gefallen.«
    Der Hohe Magus versank wieder in finsteren Ahnungen. Einen Augenblick später zuckte er zusammen, als Schritte vor der Tür ertönten. Er sprang auf und riss die Tür auf.
    »Ja?« Er ging in den Flur hinaus. »Was gibt es, Roderick?«, fragte er, als er das Oberhaupt der Kriegsmagier erkannte. »Was gibt es Neues?«
    »Dagnarus ist hier, Euer Majestät! Er ist im Tempel! Er ist
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