Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Staubozean

Titel: Der Staubozean
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
verklebte meine Augenlider, klumpte sich auf der Innenhaut meiner Nase, überzog das Innere meines Munds mit Übelkeit erregender mehliger Trockenheit. Ich trieb auf dem Rücken auf der Meeresoberfläche.
    Ich versuchte, meinen Mund freizumachen. Der staubige Schorf auf meinen Lippen platzte auf, dickliches Blut floß über meine ausgedörrte Zunge. Die Feuchtigkeit belebte meinen Mund ein wenig, Speichel begann zu fließen und verwandelte den Staub in widerlichen Schleim. Ich begann krampfhaft zu husten.
    Meine Staubmaske hing noch, von einem Band gehalten, an meinem Hals. Als ich nach ihr griff, spürte ich den ersten rotglühenden Schock des Schmerzes meine Benommenheit durchdringen. Ich spürte eine brennende Blase an meinem rechten Ellbogen. Als ich mich schwach bewegte, entsprangen weitere wie Flammen in meinen Gelenken und Muskeln - Knie, Schenkel, Arme. Tränen des Schmerzes rannen durch den Staub auf mein Gesicht. Ich hatte die Luftdruckkrankheit.
    Eine Luftembolie in meinem Herzen könnte mich umbringen. Ich lag ganz still, benetzte den Staub mit den Tränen, die meine Augen klärten, und dem Blut, das zusammengebackene Klümpchen aus Wunden in Beinen, Händen und Ohren wusch. Ich versuchte, mein Husten unter Kontrolle zu bringen, ich erstickte fast daran. Erneut griff ich nach der Maske und spürte rotglühende Nadeln durch Knochen, Nerven und Sehnen rasen. Mir wurde klar, daß der Tod nahe war, und dieser Gedanke mobilisierte die letzten Reserven animalischen Überlebenswillens.
    Ich spuckte feuchten Dreck aus und sagte: »Ich will leben. Laßt mich leben! Ich kann euch helfen, ich werde euer Freund; sein … Ihr Götter …«
    Jetzt griff ich mit der linken Hand nach der Maske, und diesmal war der Schmerz nicht so schlimm. Als ich die Maske hochhob, um den Staub herauszugießen, sank mein Kopf ein Stückchen, und ich war gezwungen, mit den Füßen zu strampeln, um zu verhindern, daß mein Gesicht unter den Staub geriet. Meine Knie und Hüften begannen von innen nach außen zu brennen, als brodelten kleine Feuerherde unter meinen Kniescheiben. Meine Hände zitterten unkontrolliert, als ich die Staubmaske auf mein Gesicht legte. Ihr Haftrand, der meinem Gesicht angepaßt war, drückte schabende Teilchen in meine Haut. Keuchend stieß ich die Luft aus, um die Filter freizumachen. Aus den kleinen Gummifalten um die Linsen herum fiel Staub nach innen und kratzte quälend in Nase und Augen. Ich lag wieder ganz ruhig und wartete darauf, daß der Schmerz sich von selbst ausbrannte.
    In der absoluten Ruhe entstand eine Art starrer Stasis aus Schmerz. Aber wenn ich mich bewegte, schien es, als zerbräche meine Bewegung eine Schale um den Schmerz und ließe ihn, Zellen und Nerven verbrennend, hinaussickern.
    Ich weinte wieder, und meine Augen klärten sich erneut. Ich drehte den Kopf ein wenig, um zu den Felsen zu blicken. Ich hatte erwartet, sie vom Abendlicht rot leuchten zu sehen - es schien, als seien Stunden vergangen -, aber sie glänzten weiß.
    Unvermittelt sah ich einen schwarzen Fleck, der sich auf schräger Bahn vor den Klippen bewegte.
    In einer Welt aus Felswänden und Staub war der schwarze Fleck eine störende Erscheinung. Es war Dalusa. Ich hob meinen grauverkrusteten Arm. Konnte sie die Bewegung inmitten dieser Öde sehen? Meinen rechten Arm konnte ich kaum bewegen. Mein Ellbogengelenk brannte, die blutenden Finger waren zu breiiger Benommenheit erstarrt. Ich strampelte mit den Beinen und erzeugte eine kleine Staubwolke; knirschend biß ich die Zähne zusammen, um den stechenden Schmerz in meinen Knie zu bekämpfen.
    Es gab Hoffnung. Ich strampelte und spritzte in dem Staub, solange ich konnte, und hörte erst auf, als ich gegen einen Hustenanfall ankämpfen mußte. Meine Augen verströmten immer noch Tränen; den Schatten, der über mir dahinhuschte, konnte ich eher fühlen als sehen. Ein Lufthauch, der Staub schmierte über meine zerbrochenen Linsen, und Dalusa ging im Staub neben mir nieder.
    Sie kniete im Staub, sank bis zu den Hüften ein und stabilisierte ihre Stellung mit ausgestreckten Flügeln, die wie Ausleger auf dem Staub lagen. Sie streckte ihre bleichen Hände über mein Gesicht aus, legte die Handwurzeln gegeneinander, krümmte ihre Finger wie Raubtierfänge und ließ sie ein-, zweimal ineinandergreifen.
    Ihre Handbewegung war unmißverständlich - Haie! Sie zeigte in ihre Richtung und sank dabei ein Stück in den Staub.
    »Dann ist alles zu Ende«, sagte ich in meiner Maske, aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher