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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean
Autoren: Bruce Sterling
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sie konnte höchstens ein Murmeln gehört haben. Mit schnellen rudernden Bewegungen schwamm sie zu meinem Kopf. Sie nahm meine linke Hand und legte sie behutsam um ihren linken Knöchel. Dann versuchte sie zu fliegen.
    Ihre plötzlich einsetzende Bewegung löste meinen Griff sofort. Als ich mich in Bauchlage drehte, sah ich ein grünes Aufblitzen vorbeischwirren. Dalusa flatterte zur Seite, ein unnatürlich langer Arm fuhr in die Luft und packte einen Lotsenfisch im Flug, ich hörte das Rascheln seiner dünnen Flügel an ihrem Handgelenk, als sie in einer Reflexbewegung sein Rückgrat durchbiß. Sie warf ihn fort und wies nach hinten.
    Ich bekam meine Hände unter Kontrolle und packte ihren Knöchel in panischem Griff.
    Sie konnte nicht richtig fliegen, mein Gewicht war zuviel für sie. Statt dessen ruderte und schwamm sie, Staub stieg in schmutzigen Wolken hinter ihr auf. Sie sprang aus dem Staub hoch, um mit mächtigen Flügelschlägen vorwärtszufliegen, fiel wieder hinab, ruderte und schwamm mit Flügeln, Händen und dem freien Bein, fuhr erneut hoch, um durch die heiße, sterile Luft zu fliegen, als müßte sie sich ihren Weg mit Gewalt bahnen.
    Wir blickten nicht zurück. Der Schmerz in meinem Arm erfüllte den ganzen Krater und ergoß sich über seine Ränder. Ich spürte frisches Blut auf meinen Handflächen, und schlüpfrigen Schweiß. Ich spürte, wie die Haut von Dalusas Knöchel blasig wurde, das Gewebe rauhte auf, als der Ausschlag ihre Haut zerstörte.
    Wegen des Staubes konnte ich den Ausschlag nicht sehen. Ich glaube, daß - hätte ich es gesehen - ich sie losgelassen und meinen eigenen Tod eher hingenommen hätte als den ihren. Aber wenn Schmerz uns miteinander verband, war es uns immer am besten ergangen. Ich wollte leben - eher noch um ihret- als um meinetwillen, der Hoffnung wegen, die wir einander geben konnten. In meinem Schmerz und meiner Benommenheit konnte ich das Opfer, das sie brachte, kaum begreifen. Erst später verstand ich es allmählich.
    Ich ließ nicht los, bis wir anhielten. Ich wußte nicht, wie lange sie mich geschleppt hatte. Es schienen Tage oder gar Wochen gewesen zu sein. Ich spürte ein grobes Tau um meine Brust, fühlte, wie es sich um meine Rippen spannte, und als die Matrosen mich aus dem Staub an Deck der Lunglance hievten, wurde ich ohnmächtig.
    Vage nahm ich eine Bewegung neben mir wahr, bevor ich erwachte.
    »Hier, Smutje, trinken Sie davon.« Meggle, der Kajütenjunge, hielt mir eine Schöpfkelle mit einer dünnen, gelblichen Flüssigkeit hin. Ich hob den Kopf und versuchte, den Griff der Kelle ruhig zu halten. Als ich die bläulichen, zerbrochenen Nägel meiner rechten Hand sah, zuckte ich zusammen und verschüttete ein wenig von der Flüssigkeit auf meine Decke. Ich trank den Rest und fühlte, wie das salzige Getränk in meinem Mund brannte und den Schmerz in meiner aufgerauhten Kehle linderte. Meggle setzte einen Kessel neben mich.
    »Trinken Sie alles«, sagte er. »Flack sagt, Sie brauchen eine Menge Wasser.«
    Ich setzte mich auf und fuhr zusammen, als ich den Schmerz in meiner Hand spürte. Irgend jemand hatte mich von dem Staub gereinigt. Unter der Decke war ich nackt. »Welche Tageszeit ist es?« fragte ich krächzend.
    »Klippenlicht.«
    Ich trank noch etwas Suppe. »Ich bin also gerettet«, sagte ich. Gequält fing ich zu husten an und ließ die Kelle scheppernd auf den Kombüsenboden fallen. Gutmütig hob Meggle sie auf und gab sie mir zurück.
    »Habt ihr etwas Ungewöhnliches gesehen?« fragte ich ihn schließlich. »Irgend etwas Großes, das sich unter dem Staub bewegte - Haie … oder so?«
    Meggle blickte mich desinteressiert an. »Nein«, sagte er. Er schien über meine Frage nicht sehr glücklich zu sein, als wäre es eine Zumutung, daß ich ihn zu einer Antwort zwang.
    »Und was ist mit Dalusa? Ist ihr Bein in Ordnung?«
    »Weiß ich nich', Smutje«, sagte Meggle und griff nervös nach einer Strähne seines unglaublich dreckig aussehenden Haars. »Ich habe sein Bein nur gesehen, als es Sie reingebracht hat.
    Dann ist es weggeflogen, um nach dem Käpt'n zu suchen.«
    »Nein!« sagte ich betroffen.
    Meggle duckte den Kopf schuldbewußt zwischen zusammengekrümmten Schultern. »Mr. Flack hat versucht, es aufzuhalten«, sagte er. »Aber es hat gesagt, es müsse suchen gehen, solange es noch die Kraft hat. Sein Bein sah wirklich scheußlich aus, bis übers Knie alles geschwollen und so, aber es sagte, es müßte raus, um nach ihm zu suchen. Nach dem
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