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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean
Autoren: Bruce Sterling
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auseinanderbrechen lassen, aber zu jener Zeit bestand Nullaqua fast bis zum Kern aus fester Materie. Gewaltige Gasmengen waren von dem zerschmetterten Gestein freigesetzt worden. Danach hatten sich durch die Wirkung der Sonne auf Nullaquas nahezu luftleerer Atmosphäre unzählige Tonnen feinen Staubs in den Krater ergossen oder waren hineingeweht worden. Diese allmähliche, aber nie endende Wirkung, die auch jetzt noch anhielt, hatte Nullaqua einen Ozean aus nahezu atomisiertem Staub gegeben, der unsagbar viele Meilen tief war. Nullaqua erhielt eine zweite Chance, Leben zu tragen. Diesmal hatte der Planet Erfolg.
    Vor fünfhundert Jahren war Nullaqua von einer starrsinnigen Gruppe religiöser Fanatiker besiedelt worden. Ihr Glaube ist inzwischen schwächer geworden, hat aber seine blumigen blasphemischen Flüche und einen übertriebenen Respekt vor dem Gesetz hinterlassen.
    Dieser Respekt war es, der mich nun dazu zwang, die Bequemlichkeit meines Doppelbetts zu verlassen und mein Glück auf dem Meer aus Staub zu suchen. Der junge Calothrick war bei mir; ich hatte ihn nicht davon abbringen können mitzukommen.
    Verdrossen trat ich aus dem Neuen Haus, Calothrick an meine Fersen geheftet. Wir machten uns zu den Docks im Osten der Stadt auf. Zwei Häuserblocks weiter brach er das Schweigen.
    »Was ist unser erster Schritt, Mr. Newhouse?«
    »Unser ganzes Geld von der Bank abzuheben«, erwiderte ich. »Und sag schon John zu mir!«
    »In Ordnung, John. Warum? Werden wir nicht anheuern?«
    »Das ist kein Vorhaben, in das man sich blind hineinstürzt«, sagte ich und sprach mit übertriebener Deutlichkeit. »Wir müssen die Situation genau prüfen, die Grundelemente des Gewebes kennenlernen, dazu etwas vom Slang der Seeleute. Wir müssen Vorräte einkaufen und unseren Haarschnitt wahrscheinlich auf den zur Zeit vorherrschenden Seehundstil trimmen. Wir müssen so aussehen, als wüßten wir, was Sache ist, auch wenn wir Außenweltler sind. So wie es aussieht, könntest du Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden. Du wirst als einfacher Matrose anheuern müssen.«
    »Einfacher Matrose, hä? Nun ja, soll mir recht sein. Ich will nichts Besseres sein.«
    »Klar«, sagte ich. »Wieviel Geld hast du?«
    Calothrick wirkte verdutzt und unsicher. »Nicht sehr viel. Rund fünfhundert Monun.«
    »Das sollte für unsere Vorräte wohl reichen; und vielleicht bleibt genug übrig, um den Seeleuten ein paar Runden zu spendieren. Auf welcher Bank hast du dein Konto?«
    »Ich hatte noch keine Zeit, eines zu eröffnen; ich hab' alles in Kreditbriefen.«
    Ich schickte Calothrick los, um Bargeld aufzutreiben, während ich in einer Kneipe am Rand der Klippe über den Docks ein Zimmer mietete. (Die Hochinsel lag eine halbe Meile über dem Meeresspiegel und entging dadurch der gröbsten Staubverschmutzung.)
    Als Calothrick zurückkam, schickte ich ihn nach unten, um den Seeleuten einen auszugeben und ihre Eigenschaften zu studieren. Ich ging zwei Staubmasken kaufen. Alle Seeleute trugen sie. Der feine Staub, von Windstößen aufgewirbelt, kann die Lungen innerhalb weniger Tage zerstören. Selbst die dicken Haarbüschel in den Nasenlöchern der eingeborenen Nullaquaner können das Zeug nicht vollständig ausfiltern, ebensowenig wie ihre kamelgleichen Wimpern und dichten Augenlider vollständigen Schutz bieten können. An der Küste reichen sie aus, aber auf See trägt jeder eine festanliegende elastische Maske mit einem rüsselähnlichen runden Filter und runden Kunststoffaugen.
    Der Kapitän und seine Maate erteilten ihre Befehle über Lautsprecher, die mit winzigen Mikrophonen in ihren Masken verbunden waren. Die Mannschaft hatte keine Lautsprecher in den Masken - als sei jegliche Unterhaltung zwischen ihren Mitgliedern überflüssig.
    Jeder Walfänger hat Stirn- und Wangenflächen seiner Maske mit Insignien bemalt. Sie haben die unterschiedlichsten Ausprägungen in Form und Farbe; eine der wenigen Ausdrucksweisen ihrer eigenen Persönlichkeit. Ich kaufte mehrere Farbtuben und einige Pinsel für Calothrick und mich. Die natürliche Farbe der Masken ist ein glänzendes Schwarz; deshalb kaufte ich auch etwas schwarze Farbe. Es könnte ja von Vorteil sein, plötzlich die Insignien zu ändern. Schließlich kann man einen Walfänger an seiner Staubmaske erkennen.
    Nachdem wir Seemannstracht gekauft und unser Haar geschnitten hatten, gingen Calothrick und ich den Aufzug zu den Klippen hinab, um die Walfängerflotte in Augenschein zu nehmen. Wir nahmen
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