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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean
Autoren: Bruce Sterling
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mit. Ich werde dafür sorgen, daß es am Ende der Fahrt eine Prämie für Sie gibt.«
    »Sie können sich auf mich verlassen, Käpt'n«, sagte ich, um ihn bei Laune zu halten. »Sie können vielleicht auch den jungen Calothrick in Betracht ziehen. Er kommt von der Außenwelt und ist noch näher bei der Crew als ich.«
    Desperandums flache breite Stirn kräuselte sich, als er darüber nachdachte. »Nein«, sagte er schließlich. »Ich mag ihn nicht. Trauen Sie ihm nicht. Er hat etwas Schmieriges an sich.«
    Das überraschte mich. Calothrick und schmierig? Ich nahm mir vor, ihn daraufhin zu prüfen. Vielleicht hatte er Entzugssymptome.
    Desperandum fuhr fort. »Jedenfalls danke ich für den Vorschlag. Sie sind entlassen. Ach, übrigens, zu Mittag Vogelfisch-Kasserolle!«
    »Aye, aye, Sir.« Ich ging.
    Wie merkwürdig, dachte ich. Warum gab sich Desperandum mit derart Nutzlosem wie Wissenschaft ab?
    Meine Träumerei wurde durch einen Schrei von Flack, dem ersten Maat, unterbrochen. Kapitän Desperandum hatte etwas am Haken.
    Voller Eifer trippelte Desperandum aus seiner Kabine. Er hatte das Ende der Angelleine um die Trommel einer Winde geschlungen und befahl nun, sie sofort einzuholen. Seine Ungeduld war enorm, und zwei Mannschaftsmitglieder begannen, die Winde mit ungeheurer Geschwindigkeit zu drehen.
    Ohne Unterlaß holten sie die Leine ein. Plötzlich durchbrach der Fisch die Oberfläche und explodierte. Die schnelle Druckveränderung war zuviel für ihn gewesen.
    Enttäuscht untersuchte Desperandum die Fetzen des Fisches, die am Haken geblieben waren. Kleine glänzende Fische nagten an den Überresten, die meterweit in alle Richtungen verstreut worden waren. Am Haken befand sich gerade soviel von einem zerrissenen Kopf, um festzustellen, daß die Kreatur blind gewesen war. Es gab keinen Hinweis darauf, wie sie in der luftleeren Tiefe atmete. Vielleicht atmete sie Silikon.
    Desperandum unternahm einen zweiten Versuch. Diesmal setzte er den Kopf seines Fangs als Köder auf den Haken und warf ihn über Bord. Zwei andere Matrosen nahmen die Kurbel und begannen, die Leine abzurollen. Abwärts ging's, hundert Meter, zweihundert, dreihundert, vierhundert. Plötzlich packte irgend etwas den Haken, und die Winde begann sich mit irrwitziger Geschwindigkeit zu drehen; fast hätte sie den Arm des einen Matrosen gebrochen. Keiner wagte es, die Arretierung zu betätigen, die die Trommel stoppen würde; es hätte einem die Finger abreißen können.
    »Abschneiden! Abschneiden!« sagte der zweite Maat.
    »Keramikfaser!« überschrie Desperandum das Surren der Kurbel. »Sie wird halten!«
    Auf einmal war die Leine zu Ende. Das Schiff rollte zur Seite, das Deck neigte sich, und mit schrecklichem Kreischen wurde die gesamte Winde von Deck losgerissen; einige Bolzen rissen ab, andere wurden einfach durch das Metall gerissen. Im Bruchteil einer Sekunde verschwand die mächtige Winde unter der Oberfläche.
    Nachdenklich lehnte sich Desperandum auf die zerbrechliche Reling und beobachtete, wie der Staub an der Stelle, wo die Winde versunken war, aufgewirbelt wurde. Dann wandte er sich um und starrte auf die Walkräne, die an den Masten angebracht waren, als wären sie eine wundervolle TiefseeAngelausrüstung. Ich sah, wie einige Besatzungsmitglieder bedeutungsvolle Blicke wechselten. Desperandum kehrte in seine Kajüte zurück. Einen Augenblick später kam der Befehl, wieder Segel zu setzen. Die beiden Schmiede holten ihre Hämmer und die Reparaturausrüstung hervor und flickten die Löcher im Deck, die entstanden waren, als die Bolzen herausgerissen wurden.
    Ich war auf dem Weg zur Küche, als vor mir plötzlich ein Schatten über das Deck huschte. Ich blickte nach oben und erschrak, als ich eine Art geflügeltes Monster sah, das durch die Luft glitt. Es hielt inne, flatterte und ließ sich präzise im Krähennest nieder. Es war Dalusa.
    Aus den Hörnern im Krähennest ertönte eine Reihe von Signalen. Auf ihrem Erkundungsflug hatte die Ausguck-Frau zwei Meilen steuerbords einen Staubwal gesehen. Desperandum war sofort an Deck. Auf seinen Befehl hin drehte die Lunglance in den Wind auf Backbord-Position. Dann wurden Focksegelleinen schnell durch die Rollen gezogen, bis die Focksegel fast lotrecht im Wind standen. Einen Moment lang hing das Tauwerk schlaff; dann füllten sich die Segel mit einem dumpfen Knallen, und das Schiff krängte auf einen Steuerbordkurs. Die Focksegel wurden gespannt, und die Lunglance bewegte sich schwerfällig
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