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Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker
Autoren: Tania Carver
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aus dem Fenster zu schauen.
    Die Jalousien waren hochgezogen, was auch erklärte, warum Licht ins Zimmer gefallen war. An der Fensterscheibe klebte etwas. Sie runzelte die Stirn. Sie verstand weder, was dieses Ding da zu suchen hatte, noch, wieso die Jalousien nicht unten waren. Dann zog sie den Gegenstand vom Fenster ab und betrachtete ihn genauer.
    Und spürte, wie ihr Herz ins Trudeln geriet.
    Es war ein Foto. Von ihr, wie sie schlief. Das Oversized-T-Shirt, das sie nachts immer trug – dasselbe, das sie jetzt gerade anhatte –, war ihr bis über die Hüften hochgezogen und entblößte ihre Schenkel bis zur Scham.
    Das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Herz pumpte, als könne es nicht genug Sauerstoff durch ihren Körper schicken. Das Zittern in ihren Beinen wurde stärker.
    Sie drehte das Foto um. Die Kehle wurde ihr eng, und Angst durchfuhr sie wie ein Stromstoß. Auf der Rückseite stand etwas in säuberlichen Großbuchstaben geschrieben. Sie las es.
    ICH WACHE ÜBER DICH
    Mit der Wucht eines Faustschlags kam ihr der Alptraum wieder in Erinnerung. Der Schatten. Die Scheinwerferaugen. Die Stimme.
    Hände überall auf ihrem Körper.
    In Suzannes Kopf drehte sich alles, ihre Beine gaben nach, ihre Lider schlossen sich flatternd.
    Es war kein Alptraum gewesen. Es war wirklich passiert.
    Suzanne wurde ohnmächtig.
    2 »Tja«, meinte Detective Sergeant Mickey Philips und versuchte sich an einem abgeklärten Grinsen. »Jemand mochte sie wohl nicht besonders …« Das Grinsen verschwand, als sein Gesicht jäh die Farbe verlor und nun eher nach schimmligem Kitt aussah. Er beugte sich über die Reling, und ein Schwall Erbrochenes ergoss sich in den Fluss.
    »In die Tüte!« Die Warnung von Detective Inspector Phil Brennan kam zu spät.
    »Sorry …« Die Entschuldigung war begleitet von Röcheln und Spucken.
    Kopfschüttelnd wandte sich Phil Brennan von seinem Detective Sergeant ab und der Leiche zu. Philips war neu, aber auch sonst hätte er dem Mann seine Reaktion nicht übelnehmen können. In seinen Jahren beim MIS , der Abteilung für Kapitalverbrechen, hatte Phil jede Menge Unangenehmes gesehen, aber der Anblick, der sich ihm an diesem Morgen bot, war definitiv einer der schlimmsten.
    Es war die Leiche einer Frau, allerdings sah sie jetzt eher aus wie etwas aus einem Fleischerladen oder Horrorfilm. Schlachthausabfälle. Die Frau war nackt und auf grausamste Weise verstümmelt. Sie war gefoltert worden. Der gesamte Körper, sogar das Gesicht, war kreuz und quer mit Striemen bedeckt, die meisten davon tief. Eine Peitsche, dachte Phil. Ein Messer. Vielleicht sogar eine Kette .
    Aber zwei Dinge stachen Phil bei all dieser Verwüstung ganz besonders ins Auge. Das erste war die Vagina der Frau. Sie war noch brutaler zugerichtet als der Rest ihres Körpers, zwischen dessen weit gespreizten Beinen ein Lichtmast aufragte. Das zweite war ein Wort, das der Täter der Leiche in die Stirn geritzt hatte:
    HURE
    »Ich glaube«, meinte Phil, »hier wollte jemand ganz sichergehen, dass seine Botschaft auch ankommt …«
    Er stand an Deck eines alten Feuerschiffs, das im Fluss Colne am King Edward Quay in Colchester festgemacht war. Ein Banner entlang der Frontreling verriet, dass es von den Seekadetten zu Übungszwecken genutzt wurde.
    Die beiden Ufer des Flusses schienen zwei komplett unterschiedlichen Welten anzugehören. Diesseits am Kai reihte sich ein eingeschossiges Gebäude ans nächste, allesamt Gewerbebetriebe mit eingezäunten Höfen, von denen keiner so aussah, als würde er viel Geld abwerfen: ein Schrottplatz, eine Autowerkstatt, einige kleine Fabriken. Bunte Schautafeln kündeten weithin sichtbar von Plänen zur städtebaulichen Sanierung.
    Auf der gegenüberliegenden Seite standen Apartmentgebäude aus Glas, Metall und Holz, einige kühl und minimalistisch, andere verspielt und farbenfroh. Mit seiner modernen Skyline war das neue Hafenviertel ein Paradebeispiel erfolgreicher Stadtsanierung am Hythe.
    Auf der einen Seite die Vergangenheit, auf der anderen die Zukunft, dachte Phil. Alt und verfallen hier, neu und prunkvoll dort. Und dazwischen eine Tote auf einem Feuerschiff.
    Phil schüttelte den Kopf, um die Gedanken loszuwerden, die ihn schon auf dem Weg zur Arbeit die ganze Zeit gequält hatten. Sein Privatleben hatte hier nichts zu suchen. Er hatte einen Job zu erledigen.
    DS Mickey Philips richtete sich ächzend wieder auf. Phil sah ihn an. »Besser?«
    Der jüngere Mann nickte. Sein Gesicht war
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