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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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unter den Schlägen genauso wie ich. Die Belastung macht ihn fertig.
    Er wollte jedoch nichts davon hören, kürzerzutreten. „Die Partei braucht Menschen wie mich, das Land auch. Menschen, die nicht im Mittelmaß schwimmen und die nicht nach Versorgungsposten schielen, sondern wirklich etwas verändern wollen.“
    So ertrug sie seine Launen und die Schläge, wie man den Wechsel der Jahreszeiten und des Wetters erträgt, und sagte sich: „Es wird nicht so bleiben. Wenn er erst einmal sein Ziel erreicht hat, wird es besser.“
    Und die Momente, in denen er sich ihr öffnete, sie um Verzeihung bat, Stress und Termindruck als Grund für „meine Überreaktion“, wie er es nannte, vorschob, entschädigten sie. Der Sex mit ihm auch. Zu Beginn zumindest, dann im Lauf der Zeit aber stumpfte sie ab. Aus Liebe wurde Apathie. Eines Tages schlug er zu wie noch nie. Sie beschloss, ihn zu verlassen.
    Sie brauchte Hilfe, Zuspruch und Unterkunft. Aber es gab niemanden, an den sie sich wenden konnte. Die Mutter lebte in Spanien und riet ihr zu Verständnis und langem Atem. Freundinnen besaß sie nicht. Der Kontakt zu ihrer Schulfreundin beschränkte sich auf gelegentliche E-Mails und Weihnachtskarten. Ihre Tante in Hamburg war ihr fremd geworden. Und trotzdem wusste sie, dass sie ihr Leben verändern musste, wenn sie nicht vor die Hunde gehen wollte. Sie hatte eine Ausbildung als Verlagskauffrau und verfügte über Erfahrungen in der Parteiarbeit. Mit Ende zwanzig waren ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht so schlecht. Wenige Tage nachdem sie beschlossen hatte, sich heimlich nach einem neuen Job umzusehen, blieb ihre Monatsblutung aus.

4
    Er freute sich wahnsinnig, nahm sie in die Arme und küsste sie. „Endlich! Endlich werden wir eine richtige Familie. Es hatte also doch alles einen Sinn.“
    Zur Feier des Tages öffnete er eine Flasche Champagner. Fortan hörten die Schläge auf. Weil er ein eigenes Schlafzimmer besaß und lange arbeitete, sahen sie sich manchmal tagelang nicht. Es störte sie nicht, sie war froh, ihre Ruhe zu haben.
    Zwei Monate vor der Niederkunft fand sie heraus, dass er sie mit einer Anwältin aus seiner Kanzlei betrog. Sie fühlte nichts als Gleichgültigkeit. Sobald sie aus dem Gröbsten heraus war, würde sie Wohnung und Job suchen und für das Kind eine Betreuung. Der Umzug in eine andere Stadt wäre eine Befreiung.
    Uwe wünschte sich ein Mädchen. Katharina sollte sie heißen, weil er die gleichnamige Zarin bewunderte. Isabel sagte dazu nichts. Je weniger sie redete, desto weniger Angriffsfläche bot sie ihm. Es bereitete ihr ein zwiespältiges Triumphgefühl, dass ein ungeborenes Kind ihren wirkungsvollsten Schutz vor Schlägen darstellte. Sie spielte Spiele mit Uwe, indem sie ihn, Schwäche vortäuschend, um Gefälligkeiten bat. Mal war es ein Tee, den sie erbat, mal ein Toast, mal Zitroneneis. „Danke“, hauchte sie, wenn er mit dem Gewünschten kam, „danke auch im Namen deiner Tochter.“
    Als Katharina geboren wurde, kannte seine Begeisterung keine Grenzen. Er war bei der Geburt, die ohne Komplikationen verlief, dabei, schenkte der Mutter einen Brillantring und 50 rote Rosen, bedankte sich mit einer Flasche Sekt beim Oberarzt und einem Hunderter für die Kaffeekasse bei der leitenden Stationsschwester im Vinzenzstift, wo sie selbstverständlich das größte Einbettzimmer bekommen hatte. Schließlich war Uwe kein Unbekannter mehr. Die Stationsschwester war voll des Lobes, beglückwünschte Isabel zu ihrem großartigen Mann.
    Die Taufe wurde im Luisenhof gefeiert. Neben ihrer Mutter, die mit einem neuen Lebensgefährten anreiste, wurden ihre Tante und etliche Parteifreunde eingeladen. Auch dieses Mal wollte Uwe niemanden von seiner Familie dabei haben. Sie waren nun zwei Jahre verheiratet und Isabel hatte weder seine Mutter noch ein anderes Mitglied seiner Familie kennengelernt. Uwe wünschte nicht, dass sie mit ihrer Schwiegermutter in Verbindung trat. Niemals wäre es ihr eingefallen, sich seinen Wünschen zu widersetzen.
    Der glückliche Vater hielt eine Ansprache, in der er Isabel eine Liebeserklärung machte, seine Tochter, ein rundum gesundes Kind, zum schönsten Mädchen der Stadt erklärte und bekannt gab, sich noch mehr Kinder zu wünschen. Die Verwandtschaft war beeindruckt, die Parteifreunde warfen launige Bemerkungen dazwischen. Niemand bemerkte, wie schlecht sich die junge Mutter fühlte. Nur Alfred Bitter, der auch diesmal erschienen war, warf Isabel besorgte Blicke zu. Er
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