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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Wochen später begleitete sie ihn zu einem Abendessen mit Vertretern der Wirtschaft. Er hatte sie noch nie darum gebeten, mit ihm gemeinsam einen Termin wahrzunehmen. Umso erfreuter war sie und unterhielt sich mit den Teilnehmern, am längsten mit dem Mann zu ihrer Rechten, einem Jungunternehmer aus der Metallbranche, der angeregt von seinen Aufenthalten in Lateinamerika berichtete. Schon im Auto merkte sie, wie wütend Uwe war. Schweigend starrte er vor sich hin, war nicht ansprechbar und ließ sie die gesamte Unterhaltung allein bestreiten.
    Die Haustür war gerade ins Schloss gefallen, als er ihr ins Gesicht schlug, beim zweiten Mal noch heftiger.
    „Wie kannst du es wagen, dich wie eine Nutte zu benehmen! Schmeißt dich den Männern an den Hals. Was sollen die von mir denken? Du bist mit einem Politiker und Anwalt verheiratet und nicht mit einem Bordellbesitzer.“
    Sie setzte an zu widersprechen, aber das Wort blieb ihr im Hals stecken.
    „Benimm dich gefälligst, wie man es von der Ehefrau eines Mannes der Gesellschaft erwartet. Merkst du gar nicht, wie sehr du mich blamierst?“
    „Aber … aber ich habe mich doch nur unterhalten, mehr nicht“, stammelte sie.
    „Ach …? Und deine Blicke, mit dem du den Kerl ins Visier genommen hast. Und er dich, er hat dich förmlich ausgezogen, widerlich!“
    „Ich flirte nicht“, sagte sie mit ruhiger Stimme. „Ich habe gerade geheiratet. Ich liebe meinen Mann und werde immer bei ihm bleiben. Bis dass der Tod uns scheidet.“
    Er drehte sich um und ging in sein Arbeitszimmer.
    Erneut strafte er sie mit Schweigen. Diesmal litt sie nicht so stark, denn sie brauchte die Zeit, um ihre Fassung zurückzugewinnen. Waren alle Führungskräfte so? Oder nur die, die auf zwei Gleisen fuhren, also dabei waren, sich eine Karriere als Anwalt und Politiker aufzubauen? War es vielleicht doch ihre Schuld, hatte sie ihn düpiert?
    Eine politische Karriere forderte einen hohen Preis, und Isabel wollte ja, dass Uwe auf der Leiter emporkletterte. Er hatte Talent, er war ein glänzender Redner, war ehrgeizig und machtbewusst. Und er hatte Visionen, wollte Weichen stellen, Dinge zum Besseren verändern, wollte diesem Land dienen. Dazu musste er ins erste Glied aufrücken, es gab viele Konkurrenten in der Partei.
    Isabel sagte sich: Ich habe keinen Durchschnittsmann geheiratet, das war mir von Anfang an klar. Uwe braucht mehr Liebe und Zuspruch als andere, weil er anders ist. Er ist etwas ganz Besonderes, und er braucht meine Solidarität und Rücksichtnahme.
    So sagte sie es ihm auch. Er reagierte erleichtert, sprach im Gegenzug von seiner Arbeit in der Kanzlei, den schwierigen Mandanten und kniffligen Fällen. Und dem ständigen Stress mit der Partei, den vielen Sitzungen, in denen nur Blabla geredet würde und die er trotzdem über sich ergehen lassen müsse. Dann entschuldigte er sich erneut bei ihr für die Schläge, wieder mit Tränen in den Augen. „Es tut mir leid, der Stress macht mich fertig. Und ich will dich nicht verlieren. Die Blicke, mit denen dieser Kerl dich taxiert hat …“
    Er ist eifersüchtig, das heißt, er liebt mich, dachte sie. Wenn er mich nicht liebte, wäre er nicht eifersüchtig und nicht so betroffen. Als er sie streichelte, war er weich und nachgiebig wie lange nicht mehr. Und als er leise sagte: „Vergiss nie, dass ich dich liebe. Niemals!“, war die Welt wieder in Ordnung für sie. Dann küsste er sie und sie liebten sich.
    Sie gab sich Mühe, Uwe glücklich zu machen. Während er draußen den kräftezehrenden Spagat zwischen Anwaltskanzlei und Politikbetrieb auf sich nahm, hielt sie das Haus in Ordnung und war für ihn da, wenn er von einem langen Arbeitstag nach Hause zurückkehrte.
    Doch das Leben mit Uwe war nicht einfach. Mal war das Essen zu heiß, mal war ein Hemd nach der Wäsche verfärbt. Mal vergaß sie, eine Nachricht aus der Parteizentrale auszurichten oder entsorgte versehentlich Papiere, die sensible Informationen enthielten, in der öffentlich zugänglichen Papiertonne. Immer wieder musste Uwe mit ihr böse werden. Er schlug sie auf die Brust, auf den Rücken, auf den Hintern, auf Arme und Beine. Nur selten trafen die Schläge das Gesicht. Das anschließende strafende Schweigen tat noch mehr weh als die Schläge selbst. Doch immer wenn sie dachte „Ich kann nicht mehr, ich halte das nicht mehr aus“, bat er sie um Verzeihung, fast immer mit Tränen in den Augen. Sie dachte: Er leidet wie ein Hund, er schlägt mich, aber er leidet
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