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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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beide.“
    Er war nicht immer so gewesen. Ihre Gedanken gingen zurück zu dem Tag, an dem sie sich kennengelernt hatten.
F RÜHJAHR 2002
    Sie hatte seinen Namen geschrieben, bevor sie ihn ein einziges Mal gesehen hatte. Als Assistentin der Parteizentrale war sie für das Terminmanagement zuständig. Die Bürgerpartei gab sich als moderne Partei, besonders in der Sprache.
    Der Anwalt Uwe Stein galt als begabter Nachwuchs. Es war eine Frage der Zeit, bis der Parteivorsitzende Bitter ihn zu sich bitten würde. Auch die Bürgerpartei hatte Nachwuchssorgen, junge Politiker waren gefragt. Eine große Partei, die viele Mandate und Posten zu besetzen hatte, war für jedes Talent dankbar, und damals gab es in der Landespartei mehrere Vakanzen.
    Vom ersten Augenblick war sie von Stein fasziniert. Von seinem Lächeln, seinem vollen blonden Haar, seinem kantigen Gesicht. Er hatte sie kaum beachtet, Bitter hatte zufällig neben ihrem Tisch gestanden. So hatte sich Uwes Aufmerksamkeit gleich dem Parteivorsitzenden zugewandt, das war nur natürlich. Uwe Stein war 32 Jahre alt, immer wieder in festen Beziehungen, aber stets nur für kurze Zeit, meistens war er ungebunden. In diesen Phasen suchten seine strahlenden blauen Augen jeden Raum ab, den er betrat. Als Albi, so nannten sie Bitter, ihm die Tür zu seinem Büro aufhielt, hatte Uwe ihr einen Blick zugeworfen. Einen Blick, der ihren Nacken mit Gänsehaut überzog.
    Bei seinem nächsten Besuch in der Parteizentrale fragte er sie, ob sie nebenan im Kaffeehaus einen Mittagsimbiss mit ihm einnehmen wolle. Danach rief er sie mehrmals in der Woche an, auch wenn er unterwegs und bei Mandanten war. Die auswärtigen Anrufe rührten sie. Nach zwei Wochen nahm sie ihn mit in ihre Wohnung und in ihr Bett. Es war anders als mit Kurt, ganz anders. Kein langweiliger Routinesex wie mit Kurt, wo alles vorhersehbar war, wo es keine Überraschungen mehr gab. Uwe Stein war in jeder Hinsicht ein aufregender Mann. Am Tag darauf machte sie mit ihrem Freund Schluss. Was konnte der gutmütige, zuverlässige Gefährte aus Jugendtagen gegen einen strahlenden Helden ausrichten? Kurt war tief getroffen, kämpfte aber nicht um sie. Auch das unterschied ihn von Uwe, er war kein Kämpfer, war nie einer gewesen.
    Als Uwe ihr den Heiratsantrag machte, erhielt ihr Leben einen Sinn. So glaubte sie damals.
    Die Hochzeit fand wenige Wochen später statt. Eigenartig fand sie, dass er niemals über seine Familie sprach und auch keine engeren Freunde hatte. Einmal erwähnte er seine Mutter, die im Emsland lebte. Den Kontakt hatte er schon vor Jahren abgebrochen. Als sie nachbohrte, wiegelte er ab, wollte nicht darüber sprechen. Natürlich fand sie dafür Gründe. Es gibt keine Verpflichtung, zu seiner Familie enge Beziehungen zu unterhalten, wenn man sich nichts zu sagen hat und in verschiedenen Welten lebt, entschuldigte sie ihn. Und in Freundschaften musste man Zeit investieren. Uwe hatte keine Zeit. Beruf und Politik forderten ihn 14 Stunden am Tag.
    Vielleicht war er auch ein Mann, dem es schwerfiel, enge Beziehungen einzugehen. Es gab solche Menschen, sie lebten im Schutz eines Panzers, weil sie Verletzungen und Enttäuschungen erlitten hatten. Manchmal, wenn er sich unbeobachtet fühlte, hatte er einen tieftraurigen Blick. Dann liebte sie ihn besonders, war beseelt von der Vorstellung, seinen Panzer aufzubrechen. Das Einzige, was sie dafür brauchte, war Zeit. Die Liebe war schon da.
    Selbst zur Hochzeit kam niemand aus seiner Familie. Es war eine eher karge Zeremonie, kaum 20 Gäste, einige von Isabels Seite, der Rest Kollegen und Parteifreunde von Uwe. Obwohl sie in der Partei arbeitete, war sie selbst kein Mitglied. Unerwartet erschien auch Bitter. Uwe war damals noch ein politischer Nobody. Bitter war Isabels Chef, niemals wäre es Uwe in den Sinn gekommen, dass er ihretwegen gekommen war. Nie würde sie Uwes Gesicht vergessen, als ihnen der Parteivorsitzende Glück und Segen wünschte. So gerührt hatte sie ihn nie wieder erlebt.
    Bevor sie zum Standesamt fuhren, gingen sie zum Notar und vereinbarten Gütertrennung. Uwe wollte es so. „Wir werden uns niemals trennen, aber klare Verhältnisse haben noch nie geschadet“, sagte er. Isabel fühlte sich unwohl dabei, das kalte Geschäftsgebaren des Anwaltes passte so gar nicht zu ihren Gefühlen. Uwe wirkte anders als sonst, den Charmeur hatte er im Vorzimmer abgegeben, jetzt war er geschäftsmäßig und unterkühlt. Sie fand sich damit ab, sie war verliebt
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