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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam
Autoren: John le Carré
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Fiedler kaum die Schuld daran geben«, sagte Leamas gelassen. »Er war nur wachsam. Außerdem wäre er nicht der einzige Mann in der ›Abteilung‹, der Sie gerne hängen würde, Mundt.«
    »Sie werden auf jeden Fall hängen«, sagte Mundt beruhigend. »Einen Posten haben Sie ermordet, und mich wollten Sie auch ermorden.«
    Leamas lächelte trocken.
    »In der Nacht sind alle Katzen grau, Mundt … Smiley hat immer davor gewarnt, dass es schiefgehen könnte. Er sagte, wir würden möglicherweise eine ganze Kette von unerwarteten Folgen auslösen, auf die wir dann keinen Einfluß mehr hätten. Seine Nerven sind kaputt. Aber das wissen Sie ja. Seit dem Fall Fennan ist er nicht mehr der alte. Die Londoner Mundt-Affäre hat ihn verändert. Man erzählt sich, damals sei irgend etwas mit ihm geschehen, und deshalb habe er das Rondell verlassen. Es ist mir jetzt völlig unverständlich, weshalb man die Rechnungen bezahlte, dem Mädchen Geld gab und so weiter. Es kann gar nicht anders sein, als dass Smiley diese Operation absichtlich zerschlagen hat, anders kann ich mir das nicht vorstellen. Es muß eine Gewissenskrise bei ihm gewesen sein. Vielleicht dachte er plötzlich, es sei unrecht, jemanden zu töten, oder etwas Ähnliches. Nach all den Vorbereitungen und all der Arbeit war es Wahnsinn, das Unternehmen derart zu verpfuschen.
    Aber Smiley hat Sie gehaßt, Mundt. Obwohl wir nicht darüber sprachen, haben wir das wohl alle getan. Wir haben die ganze Sache ein bißchen wie ein großes Spiel entworfen. Das ist jetzt schwer zu erklären, aber wir standen damals sozusagen mit dem Rücken zur Wand: Wir hatten gegen Mundt dauernd verloren und wollten deshalb versuchen, ihn umzubringen. Aber es war trotzdem noch immer ein Spiel.«
    Dann wandte sich Leamas wieder an die Richter: »Sie sehen die Rolle Fiedlers ganz falsch. Er ist nicht auf unserer Seite. Warum hätte London mit einem Mann in Fiedlers Position ein derartiges Risiko eingehen sollen? Ich gebe zu, dass er ein fester Bestandteil in unserer Rechnung war. Wir wußten, dass er Mundt haßte. Wie hätte er ihn auch nicht hassen sollen? Fiedler ist Jude, nicht wahr? Sie alle müssen den Ruf Mundts kennen, und was er über die Juden denkt.
    Da niemand anderer Ihnen das sagen würde, werde ich es Ihnen jetzt erzählen: Mundt ließ Fiedler zusammenschlagen. Während der ganzen Prozedur höhnte und verspottete er ihn, weil er Jude ist. Sie alle wissen, zu welcher Sorte Mensch Mundt gehört, und Sie dulden ihn, weil er gute Arbeit leistet. Aber …« Leamas stockte eine Sekunde, fuhr dann jedoch fort: »Es sind doch schon, weiß Gott, genug Menschen in all das hineingezogen worden, auch ohne dass Fiedlers Kopf in den Korb fallen müßte. Fiedler ist in Ordnung, das kann ich Ihnen verraten. ideologisch zuverlässige das ist wohl der richtige Ausdruck dafür, nicht wahr?«
    Er sah die Richter an. Sie beobachteten ihn teilnahmslos, beinahe neugierig, mit festen, kalten Augen. Fiedler, der wieder auf seinem Stuhl Platz genommen und mit etwas gekünstelt wirkendem Gleichmut zugehört hatte, sah Leamas verblüfft an.
    »Und alles haben Sie verpfuscht, Leamas, das wollen Sie doch sagen? Ein alter Fuchs wie Leamas, der mit diesem Unternehmen gerade seine Laufbahn krönen möchte, fällt auf ein - wie haben Sie das genannt? - ›enttäuschtes kleines Mädchen in einer miesen Bibliothek‹ herein! Nein, Leamas. Das Rondell muß davon gewußt haben. So etwas kann Smiley nicht allein gemacht haben.«
    Fiedler wandte sich an Mundt: »Das ist doch sehr seltsam, Mundt. Man muß sich doch darüber klar gewesen sein, dass Sie diese Geschichte von Anfang an nachprüfen würden. Gerade deshalb hat doch Leamas dieses Leben geführt. Und dann hat man dennoch dem Kaufmann nachträglich Geld geschickt, hat man die Mietschulden bezahlt und dem Mädchen eine Wohnung gekauft? Dies erscheint mir von den vielen Merkwürdigkeiten die seltsamste: dass so erfahrene Leute einem Mädchen - einem Parteimitglied sogar - tausend Pfund auszahlen, während sie doch glauben soll, dass er pleite sei. Erzählen Sie mir nicht, das Gewissen Smileys habe ihn so weit getrieben. Das Rondell muß es getan haben. - Welches Risiko!«
    Leamas zuckte die Achseln.
    »Smiley hatte recht. Wir konnten die Entwicklung nicht mehr steuern. Wir hatten niemals angenommen, dass Sie mich hierherbringen würden. Nach Holland, ja - aber nicht hierher.« Nach einer Pause setzte er hinzu: »Und ich habe nie daran gedacht, dass Sie das
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