Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
würde.
    »Eigentlich hoffe auch ich, wie töricht es sein mag, einzig auf das Roulette«, sagte sie nachdenklich, »und deshalb müssen Sie unbedingt mit mir auf Halbpart weiterspielen und werden das, selbstverständlich, auch tun.« Mit diesen Worten ließ sie mich stehen, ohne meine weiteren Einwände abzuwarten.

Kapitel III
    Sie hatte, allerdings auch während des ganzen gestrigen Tages, kein einziges Wort mit mir über das Spiel gewechselt, sie hatte gestern überhaupt vermieden, mit mir zu sprechen. Ihr früherer Umgang mit mir hatte sich eigentlich nicht geändert: dieselbe vollkommene Geringschätzung bei Begegnungen, sogar etwas Verächtliches und Haßerfülltes. Sie wünscht keineswegs, ihren Widerwillen mir gegenüber zu kaschieren; das sehe ich wohl. Trotzdem verbirgt sie ebensowenig, daß sie mich für irgend etwas braucht und mich dafür in Reserve hält. Zwischen uns haben sich irgendwelche merkwürdigen Beziehungen eingespielt, die mir ziemlich unbegreiflich sind – selbst wenn ich ihren Stolz und Hochmut allen anderen gegenüber berücksichtige. Sie weiß, zum Beispiel, daß ich sie bis zum Wahnsinn liebe, sie erlaubt mir sogar, von meiner Leidenschaft zu sprechen, womit sie natürlich am besten ihre Verachtung ausdrücken kann, eben weil ich ungehindert und unzensiert meine Liebe für sie bekunde. »Das bedeutet, daß ich mir aus deinen Gefühlen so wenig mache und es mir ganz gleichgültig ist, wovon du mit mir reden oder was du für mich empfinden willst.« Über ihre eigenen Angelegenheiten hatte sie mit mir früher schon oft gesprochen, ohne aber jemals wirklich aufrichtig zu sein. Nicht genug, in der Geringschätzung meiner Person gab es noch weitere Raffinessen: Sie weiß, zum Beispiel, daß ich über einen bestimmten Umstand in ihrem Leben oder über ein sie stark beunruhigendes Faktum unterrichtet bin; ja sie kann mir selbst etwas über ihren Lebensumstand erzählen, wenn sie mich für ihre Zwecke zu gebrauchen beabsichtigt, als Sklaven oder Laufburschen, aber dann erzählt sie stets just nur so viel, wie ein Mensch, der als Laufbursche gebraucht wird, unbedingt wissen muß – und selbst, wenn mir das ganze Netz der Ereignisse noch so dunkel bleibt und sie sieht, wie ich mich um ihre Sorgen und Qualen selbst quäle und sorge, würdigt sie mich niemals einer freundschaftlichen Aufrichtigkeit, wiewohl sie mich häufig nicht nur für mühevolle, sondern sogar gefährliche Aufträge für geeignet hält und, meiner Meinung nach, schon deshalb zu Offenheit mir gegenüber verpflichtet wäre. Lohnt es denn überhaupt, sich um meine Gefühle zu kümmern, darum, daß ich mich ebenfalls vor Unruhe verzehre und von ihren Sorgen und Mißerfolgen oft dreimal so stark betroffen und gepeinigt werde als sie selbst?
    Ich wußte schon seit etwa drei Wochen von ihrer Absicht, Roulette zu spielen. Sie hatte mich sogar damals schon wissen lassen, daß ich statt ihrer spielen sollte, weil es für sie unschicklich wäre, selber zu spielen. Schon an ihrem Ton merkte ich sofort, daß es sich um eine ernsthafte Sorge handelte und nicht um den einfachen Wunsch, Geld zu gewinnen. Was konnte ihr das Geld an und für sich schon bedeuten! Hier ging es um ein Ziel, hier lagen irgendwelche Umstände vor, die ich ahnte, von denen ich aber bis heute nichts weiß. Selbstverständlich geben mir die Erniedrigung und Versklavung, in der sie mich hält, das Recht (und das nur zu oft), sie grob und geradewegs auszufragen. Da ich ein Sklave und für sie völlig unbedeutend bin, dürfte sie mir meine grobe Neugier nicht einmal verübeln. Nun aber liegt die Sache so, daß sie mir zwar gestattet, Fragen zu stellen, sie aber grundsätzlich unbeantwortet läßt. Und sie gelegentlich einfach überhört. Und so steht es mit uns!
    Gestern wurde bei uns viel von dem Telegramm geredet, das vor vier Tagen nach Petersburg abgegangen, aber unbeantwortet geblieben ist. Der General ist sichtlich aufgeregt und nachdenklich. Natürlich handelt es sich um die Babuschka. Aufgeregt ist auch der Franzose. Gestern zum Beispiel, nach dem Diner, haben sie sich lange und sehr ernst unterhalten. Uns allen gegenüber schlägt der Franzose einen auffallend herablassenden und geringschätzigen Ton an. Das Sprichwort bewährt sich: Lade das Schwein an die Tafel, und schon legt es die Füße drauf. Sogar zu Polina ist er achtlos bis zur Grobheit; wiewohl er mit Vergnügen am gemeinsamen Flanieren vor dem Kurhaus oder an den Ausritten und Ausfahrten in die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher