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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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zwei oder drei Münzen setzte. Unterdessen machte ich meine Beobachtungen; es schien mir, daß beim Spiel der Strategie nur wenig Bedeutung zukommt und jedenfalls nicht die Wichtigkeit, die ihr von vielen Spielern zugeschrieben wird. Sie sitzen über ihren linierten Blättern, notieren Einsätze, Ergebnisse, ziehen Folgerungen, rechnen, kalkulieren ihre Chancen, setzen endlich und – verspielen ebenso wie wir, gewöhnliche Sterblichen, die ohne Strategie spielen. Aber dafür zog ich einen Schluß, der, wie mir scheint, zutrifft: Tatsächlich herrscht im Verlauf der zufälligen Chancen etwas Gewisses, zwar kein System, aber immerhin eine Ordnung, ein Umstand, der natürlich höchst merkwürdig ist. Es können zum Beispiel nach zwölf mittleren Zahlen die zwölf letzten an die Reihe kommen; zweimal kann die Kugel über die zwölf letzten, dann auf die zwölf ersten rollen. Das erste Dutzend wird wieder von den mittleren abgelöst, drei- oder viermal hintereinander trifft die Kugel die mittleren, anschließend wieder die ersten, so bleibt es eineinhalb oder zwei Stunden. Eins, drei und zwei; eins, drei und zwei. Das ist sehr komisch. An manchem Tag oder an manchem Vormittag wechseln, zum Beispiel, Rot und Schwarz ab, hin und her, fast völlig willkürlich, von Minute zu Minute, so daß nie mehr als zwei- oder dreimal hintereinander Rot oder Schwarz getroffen wird. Am nächsten Tag oder am nächsten Abend kann zum Beispiel hintereinander nur Rot gewinnen; es bleibt bei derselben Farbe bis zu zweiundzwanzig Malen hintereinander im Verlauf einer bestimmten Zeit, zum Beispiel einen ganzen Tag lang. Manches hat mir Mister Astley erklärt, der den ganzen Vormittag an den Spieltischen stand, aber kein einziges Mal gesetzt hat. Was mich betrifft, habe ich alles bis auf den letzten Heller verspielt, und zwar sehr schnell. Ich habe gleich zu Beginn zwanzig Friedrichsdor auf Gerade gesetzt und gewonnen, dann weitere fünf und wiederum gewonnen, auf diese Weise noch zwei- oder dreimal. Ich glaube, an die vierhundert Friedrichsdor nach kaum fünf Minuten in Händen gehabt zu haben. Da hätte ich gehen sollen, aber in mir regte sich irgendein merkwürdiges Gefühl einer Herausforderung an das Schicksal, der Wunsch, ihm einen Nasenstüber zu geben und ihm die Zunge herauszustrecken. Ich setzte die höchste erlaubte Summe, viertausend Gulden, und verlor. Daraufhin kramte ich alles hervor, was mir geblieben war, setzte es auf dasselbe Feld, verlor abermals und entfernte mich von dem Spieltisch wie in Trance. Es war mir nicht einmal bewußt, wie mir geschehen war, und ich informierte Polina Alexandrowna von meinem Verlust erst unmittelbar vor dem Essen. Vorher habe ich mich im Park herumgetrieben.
    Beim Essen war ich genauso erregt wie vor drei Tagen. Der Franzose und Mademoiselle Blanche speisten wieder mit uns. Es stellte sich heraus, daß Mademoiselle Blanche sich am Vormittag in den Spielsälen aufgehalten und mein Treiben dort beobachtet hatte. Diesmal sprach sie mich irgendwie aufmerksamer an. Der Franzose machte nicht so viele Umstände und fragte mich ohne Umschweife, ob ich tatsächlich eigenes Geld verspielte. Mir scheint, er verdächtigt Polina. Mit einem Wort, irgend etwas muß dahinterstecken. Ich habe sofort geschwindelt und gesagt, es sei mein eigenes Geld.
    Der General war höchst verblüfft: Woher ich dieses Geld habe? Ich erklärte, daß ich mit zehn Friedrichsdor angefangen habe, diese sechs oder sieben Einsätze hintereinander die Summe verdoppelt hätten, daß ich schließlich zwischen fünf bis sechstausend Gulden in den Händen gehabt und diese mit zwei Einsätzen verloren habe.
    Dies alles klang, versteht sich, glaubwürdig. Während meiner Erklärung hatte ich Polina beobachtet, konnte aber nichts in ihrem Gesicht lesen. Jedenfalls hat sie mich schwindeln lassen und mich nicht korrigiert, daraus durfte ich schließen, daß ich lügen und verheimlichen sollte, für sie gespielt zu haben. Wie dem auch sei, sie ist mir eine Erklärung schuldig und hatte auch vorhin versprochen, mir einiges anzuvertrauen.
    Ich hatte gedacht, daß der General mir irgendwie ins Gewissen reden würde, aber er schwieg; dafür konnte ich in seinem Gesicht Unruhe und Sorge lesen. Vielleicht fiel es ihm in seiner bitteren Lage einfach schwer, hören zu müssen, daß ein so beachtlicher Haufen Goldes in einer Viertelstunde in die Hände eines albernen Dummkopfs geraten und in einer Viertelstunde wieder zerronnen war.
    Ich habe den
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