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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger
Autoren: Monika Feth
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sie viel arbeitete, hatte sie ihr Engagement im militanten Tierschutz intensiviert. Innerhalb der Gruppe war sie jetzt die allein Verantwortliche für die Planung und Ausführung der Aktionen.
    Mikes Traum war es immer gewesen, alte Möbel zu restaurieren. Nun hatte er beschlossen, ihn in die Tat umzusetzen. Im Schweinestall baute er sich gerade eine Werkstatt aus. Man sah ihn nur noch mit Staub und Mörtel im Haar, braun gebrannt und fröhlich und berstend vor Energie.
    Ich selbst hatte mein freiwilliges soziales Jahr im St . Marien beendet, arbeitete jedoch weiterhin dort. Zum einen, weil ich jeden Cent brauchen konnte, zum andern, weil die alten Leute mir ans Herz gewachsen waren. Ich brachte es noch nicht fertig, mich von ihnen zu trennen.
    Ab Oktober würde ich studieren. Ich hatte mich für Psychologie entschieden und hoffte auf das phänomenale Glück, einen Studienplatz an der Uni Köln zu ergattern und in Birkenweiler wohnen bleiben zu können, anders als Ilka, die sich in Düsseldorf ein Zimmer nehmen wollte und in nächster Zeit nur Wochenendgast bei uns sein würde.
    Die Wahl meines Studienfachs war mir leichtgefallen. Ich hatte lange Gespräche mit Tilo geführt und tief in mich hineingehorcht. Menschen interessierten mich. Menschen wie Mina mit ihrer multiplen Persönlichkeitsstörung. Menschen wie die Demenzkranken im St . Marien . Mir war, als hätte ich schon immer unbewusst die Nähe zu denen gesucht, die durch das Raster der sogenannten Normalität gefallen waren.
    Doch über das, was insgeheim hinter meinen Überlegungen stand, hatte ich noch mit niemandem gesprochen, nicht mit Tilo, nicht mit Luke oder meinen Freunden und erst recht nicht mit meiner Mutter. Ich spielte nämlich mit dem Gedanken, später Polizeipsychologin zu werden, und es war ratsam, das für mich zu behalten, wenn ich keine schlafenden Hunde wecken wollte.
    Meine Mutter hätte alles getan, um mich davon abzubringen. Ich war zu oft in Verbrechen verwickelt worden, zu oft in Gefahr geraten. Inzwischen witterte sie hinter jeder Ecke einen Vergewaltiger, Entführer oder Mörder. Ich hatte absolut keine Lust, mich wieder im Netz ihrer Ängste zu verheddern.
    Aus dem Haus dröhnte ein lautes blechernes Scheppern, wie von einem auf den Boden gefallenen Topfdeckel. Ich hörte Merle und Mike lachen. Dann kam Smoky mit gesträubtem Fell herausgeschossen und verkroch sich unter dem üppigen Gelb und Grün des Frauenmantels. Einzig eine graue, ärgerlich zuckende Schwanzspitze schaute noch unter der Pflanze hervor.
    Du alter Haudegen, dachte ich zärtlich. Machst immer einen auf Macho und lässt dich dann von dem kleinsten unerwarteten Geräusch in die Flucht schlagen.
    Irgendwie erinnerte mich diese Überlegung an Luke, der gerade angerufen hatte, um im letzten Moment abzusagen. Wieder einmal. Ich war sauer.
    Merle und ich hatten diesen Tag so lange herbeigesehnt. Wir hatten dieses wunderschöne Bauernhaus im Süden Bröhls gefunden, das Platz für uns alle bot, einschließlich unserer drei Katzen. Die notwendigsten Renovierungsarbeiten und der Umzug lagen hinter uns, ein spannendes Zusammenleben konnte beginnen – wenn das kein Grund für eine Riesenfeier war.
    Luke jedoch schloss sich, wie so oft, aus.
    Die Enttäuschung trieb mir Tränen in die Augen. Wütend wischte ich sie weg.
    Ich merkte, dass sich die Stimmen der Vögel verändert hatten, seit Smoky herausgekommen war. Sie sangen nicht mehr, sondern riefen sich gellende Warnungen zu.
    Oder mir?
    Luke, du verdammter, blöder Spielverderber!
    Wir kannten uns seit vier Monaten und er war mir noch immer ein Rätsel. Ich wusste so gut wie nichts über seine Kindheit, seine Familie, sein Leben.
    Als wär er vom Himmel gefallen.
    Ich wusste, dass er Jura studierte, bei dem Makler arbeitete, der uns den Bauernhof vermittelt hatte, und Büroarbeiten für meine Mutter erledigte. Dass er sich mit seinem Freund Albert eine Wohnung in der Palanterstraße in Köln-Sülz teilte, in der ich noch nicht gewesen war, weil es sich merkwürdigerweise nie ergeben hatte, ihn dort zu besuchen. Ich kannte einige seiner Lieblingsplätze und hatte erfahren, welche Filme er mochte.
    Und damit hörte es auch schon auf.
    Wir sahen uns nicht oft. Manchmal verabredeten wir uns, und er sagte im letzten Augenblick ab, genau wie heute. Es konnten Tage vergehen, ohne dass er sich meldete und ohne dass ich ihn erreichen konnte.
    Wenn ich ihn darauf ansprach, lenkte er vom Thema ab. Darin war er Meister. Er schien
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